Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung/
Berlin: (hib/BES) Mehr finanzielle Mittel und einen ganzheitlichen
Ansatz bei der Förderung von Menschen mit Behinderungen im
Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit fordern
Behindertenverbände und Entwicklungspolitiker. In einem
Expertengespräch im Fachausschuss am Mittwochmittag wiesen sie
auf einen engen Zusammenhang zwischen Armut und Behinderung in den
wenig entwickelten Ländern hin. Dies sei kein Randthema der
Entwicklungspolitik mehr, sagte eine Vertreterin des
Entwicklungshilfeministeriums (BMZ). Weltweit seien mehr als 650
Millionen Menschen von Behinderungen betroffen, so die
BMZ-Vertreterin. Davon lebten 80 Prozent in
Entwicklungsländern. "Das ist eine gigantische Zahl." Das BMZ
habe daher 2006 in Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen ein
Konzept entwickelt, das sich von der bisherigen rein medizinischen
und wohltätigen Sicht auf dieses Problem distanziere und einen
gesamtgesellschaftlichen Ansatz verfolge. Dazu gehörten auch
Länderprogramme. Als Beispiele für erfolgreiche
internationale Zusammenarbeit nannte das BMZ Länderprogramme
in Albanien, Chile, Mazedonien und Tansania. "Wir sind auf einem
guten Weg", so das Fazit. Gabriele Weigt von der Organisation
"Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit" (bezev) und Rita Esser
von der Christoffer-Blindenmission (CBM) bestätigten zwar,
dass in den vergangenen Jahren viele Fortschritte erzielt wurden.
Dennoch gebe es noch sehr viel zu tun. Die Zahlen sprächen
für sich, so Weigt: Etwa 20 Prozent der in absoluter Armut
lebenden Menschen weltweit seien behindert, nur ein bis zwei
Prozent der Menschen mit Behinderung hätten Zugang zu
medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, 98 Prozent der Kinder
mit Behinderung in Entwicklungsländern besuchten keine Schule,
nur etwa ein Prozent aller behinderten Frauen und drei Prozent der
behinderten Männer weltweit könnten schreiben und lesen,
80 bis 90 Prozent der Behinderten weltweit seien arbeitslos. Zu den
positiven Entwicklungen zählt Esser die UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die im
Dezember 2006 verabschiedet wurde. Das sei ein Paradigmenwechsel in
der Behindertenpolitik von einer medizinischen zur
menschenrechtlichen Sicht. Damit sei auch auf internationaler Ebene
eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage geschaffen. Die
SPD warnte in diesem Zusammenhang, sich allzu sehr auf die
UN-Konvention allein zu verlassen. Dies bedeute noch nicht konkrete
Veränderungen in der Praxis. Die FDP forderte einen
Mentalitätswandel in den Entwicklungsländern. Dort werde
Behinderung oft als ein gottgegebenes Schicksal betrachtet.
Besonders hart treffe es Menschen mit geistigen Behinderungen, um
die sich niemand kümmere. Auch die Union wies auf das Problem
der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Behinderten in den
Entwicklungsländern hin. "Wir müssen schauen, was wir in
diesem Bereich tun können", so die Union. Es wäre zum
Beispiel möglich, Menschen mit Behinderungen gezielt
einzubinden und bei den Projekten zu beschäftigen. Esser und
Weigt wandten sich an den Ausschuss mit einem Forderungskatalog.
Sie schlugen unter anderem vor, mindestens zehn Prozent der
vorgesehenen Erhöhung der ODA-Quote (Anteil der
öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit
am Gesamtetat) für die Förderung der Behinderten in den
Entwicklungsländern bereitzustellen und die Position eines
Beauftragen für Belange von Menschen mit Behinderungen "bei
allen relevanten Akteuren" zu schaffen. Die Linksfraktion und die
Grünen unterstützten die letzte Forderung. "Eher
skeptisch" sah dies die BMZ-Vertreterin, die sich auch klar gegen
eine zehnprozentige Erhöhung der ODA-Quote für die
Behindertenarbeit stellte. Dies würde zu einer Segmentierung
der Entwicklungspolitik nach Zielgruppen führen und dem auch
von den Behindertenorganisationen geforderten ganzheitlichen Ansatz
widersprechen.
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