Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung/Versammlung der WEU
Bereits 1948 gründeten westeuropäische Staaten den sogenannten Brüsseler Pakt, um sich sowohl gegen eine sowjetische Offensive, als auch gegen eine potentielle erneute Aggression Deutschlands zu wappnen. Daraus ging nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in der französischen Nationalversammlung 1954 die WEU hervor. Vor allem die Vereinigten Staaten waren es, die die Einbindung der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland in den Westen vorantrieben, damit sie als Puffer gegen den Osten dienen konnte.
So ratifizierte die Bundesrepublik im Jahre 1954 neben neun weiteren westeuropäischen Staaten (Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien, Vereinigtes Königreich) den geänderten Brüsseler Vertrag, der vor allem durch Artikel V auf eine gegenseitige Beistandsverpflichtung der Unterzeichnerstaaten abzielte.
Neben der NATO spielte die WEU jedoch nur eine Nebenrolle, wodurch sich auch erklären lässt, warum sie nie richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen konnte. Schließlich war es auch die NATO, die die Bundesrepublik 1955 in die westlichen Verteidigungsstrukturen einband.
In den 1960er und 1970er Jahren war die WEU nahezu bedeutungslos. Erst mit der Dynamisierung der europäischen Integration Ende der 1980er Jahre konnte sich die WEU wieder ins Bewusstsein rufen. Auf dem Gipfel von Maastricht 1991 erteilte die neue Europäische Union der WEU den Auftrag, Entscheidungen zur Verteidigungspolitik auszuarbeiten und durchzuführen. Dahinter steckte der Gedanke, Europa auch in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Einheit werden zu lassen.
Die neue Blüte der WEU währte jedoch nicht lange: Seit 1998 entwickelt sich die Europäische Union selbst zu einem Beistandspakt mit militärischer Komponente. Hat noch 1999 die WEU eine Polizeitruppe für das Kosovo-Gebiet bereitgestellt, so war es 2002 bereits die EU, die von der NATO die militärische Friedensmission im Nachbarland Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien übernahm. Der Kern der WEU bleibt jedoch die Beistandsverpflichtung, die von der EU jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon nicht übernommen werden kann.
Bei einer Organisation, die so um ihre Rolle ringt, kommt der Parlamentarischen Versammlung eine besondere Bedeutung zu. So waren es die Parlamentarier, die sich schon frühzeitig um Wege zur Integration der WEU in die EU bemühten und verschiedene Optionen ausarbeiteten. Aufgrund der nach wie vor schwachen Position des Europäischen Parlaments in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sehen sich die Parlamentarier der WEU-Versammlung als kompetent an, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) parlamentarisch zu begleiten. Der Beschluss im Mai 2008, Parlamentarier aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten mit vollen Mitgliedschaftsrechten in der Versammlung zusammenzuführen, und die Umbenennung in Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung/Versammlung der Westeuropäischen Union, verdeutlichen dies.
Aufgabenfelder
-
Parlamentarische Begleitung der Aktivitäten, die die Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) entfaltet haben
-
Durchführung und Ausarbeitung von Entscheidungen zur Verteidigungspolitik
-
Kooperation in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
-
WEU gibt den Mitgliedstaaten in verteidigungs- und sicherheitspolitischen Fragestellungen neben der NATO ein besonderes Profil
Struktur
Die Versammlung bildet ein Präsidium, einen Präsidialausschuss, einen Ständigen Ausschuss und sechs Fachausschüsse.
Präsidium:
Besteht aus dem Präsidenten der Versammlung und aus 10 Vizepräsidenten. Der Präsident wird für ein Jahr gewählt und kann zweimal wiedergewählt werden. Derzeit: Robert Walter (Vereinigtes Königreich), seit Dezember 2008
Präsidialausschuss:
Lenkungsorgan der Versammlung. Setzt die Daten für die Plenarversammlungen fest und erstellt die zugehörige Tagesordnung.
Ständiger Ausschuss:
Zusammengesetzt aus den Mitgliedern des Präsidialausschusses und weiteren Mitgliedern der Versammlung.
Handelt im Namen der Versammlung zwischen den Plenarversammlungen.
Die sechs Fachausschüsse erstellen Berichte und Empfehlungen.
Politischer Ausschuss:
Befasst sich mit den politischen Aspekten der europäischen Sicherheit und Verteidigung.
Verteidigungsausschuss:
Betrachtet die europäische Sicherheit und Verteidigung aus einem einsatzbezogenen,
militärischen Blickwinkel.
Ausschuss für Technologie und Raumfahrt:
Befasst sich mit Verteidigung, dualen Technologien und Kooperation hinsichtlich
Rüstungsfragen.
Ausschuss für die Beziehung zu den Parlamenten und zur Öffentlichkeit:
Ist verantwortlich für Fragen bezüglich der interparlamentarischen Kooperation.
Haushaltsausschuss:
Erstellt den Haushaltsentwurf der Versammlung.
Geschäftsordnungsausschuss:
Überwacht die Einhaltung der Geschäftsordnung und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor.
Ausschusssitzungen finden das ganze Jahr hindurch in ca. sechswöchigem Rhythmus statt.
Tagungen der Versammlung:
Die Plenarversammlungen finden zweimal im Jahr statt (Juni und Dezember). Abhängig von aktuellen politischen Ereignissen können jedoch auch Sondersitzungen stattfinden. Die Parlamentarier treffen sich über das Jahr verteilt etwa alle sechs bis acht Wochen zu Ausschusssitzungen.
Darüber hinaus organisiert die Versammlung Kolloquien, die Parlamentarier, Experten, Regierungs- und Medienvertreter zusammenführen, um aktuelle Fragen in der Sicherheitspolitik zu diskutieren.