Experten verlangen mehr Geld für den Schutz von Tropenwäldern
Abholzung verursacht 75 Prozent der örtlichen Treibhausgasemission in Brasilien
"Wir müssen schnell handeln und dürfen nicht bis 2012 warten", sagte Tasso Rezende de Azevedo, Generaldirektor des Forstdienstes im brasilianischen Umweltministerium, im Hinblick auf die vereinbarten Kioto-Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase. Im brasilianischen Parlament gebe es eine "ganz wichtige" Debatte zum Klimaschutz im Zusammenhang mit der Abholzung der Wälder, die 75 Prozent der Treibhausgasemissionen in Brasilien verursachten. Azevedo unterstrich dabei, dass man die Abholzung nicht "als unsinnige Aktivitäten" abtun dürfe. Dies sei ein Entwicklungsmodell, das es auch in den Industrieländern gegeben habe. "Um diesen Trend abzukehren, brauchen wir sehr viel Energie", so Azevedo. Dafür müssten sich die Verbrauchermuster ändern. Brasilien habe inzwischen einen Multisektorplan erarbeitet, an dem 14 Ministerien beteiligt seien. Als konkrete Ergebnisse führte der Umweltpolitiker an, dass eine Million Kubikmeter Holz aus illegaler Abholzung beschlagnahmt und 66.000 Landtiteldokumente entzogen worden seien. In den vergangenen zwei Jahren sei die Abholzung um 50 Prozent zurückgegangen.
Schutz der brasilianischen Wälder teurer als erwartet
Es habe sich dabei herausgestellt, dass die Bekämpfung der Abholzung sehr teuer sei. Etwa eine Milliarde US-Dollar koste dies pro Jahr; "mehr als wir erwartet haben". Azevedo beklagte in diesem Zusammenhang, dass die internationale Gebergemeinschaft ihre Versprechungen aus Rio (1992) nur zu 25 Prozent erfüllt habe. Das seien "viel weniger Mittel als notwendig". Alle Finanzierungsinstrumente seien "sehr bürokratisch und langsam". Die Genehmigung dauere bis zu drei Jahren. Notwendig seien nun finanzielle Anreize für den Schutz der Wälder, deren Wert viel deutlicher herausgestellt werden müsste. In die Projekte sollte auch der Privatsektor einbezogen werden; die betroffenen Entwicklungs- und Schwellenländer brauchten außerdem mehr Transfer von moderner Technologie aus den Industrieländern, so die Vorschläge Brasiliens.
Öffentliche Fonds und Marktmechanismen als Finanzierungsinstrumente
Aus Sicht von Martin Kaiser (Greenpeace Deutschland) sollten mehr unbürokratische Kleinprojekte gefördert werden. Zur Finanzierung des Tropenwaldschutzes sollte eine Kombination aus öffentlichen Fonds und Marktmechanismen "ausprobiert" werden. Als weitere Finanzierungsinstrumente nannte Kaiser Abgaben auf Devisengeschäfte, Transport und Verkehr, darunter auf Flugtickets, die in Frankreich bereits 200 Millionen Euro im Jahr einbringen. Geschützt werden sollten - so Kaiser - nicht nur die Tropenwälder, sondern auch die Urwälder von Kanada, Skandinavien und Russland, die eine wichtige Funktion als Senken im Klimaschutz erfüllten. Als ein wichtiges Schutzinstrument bezeichnete Kaiser internationale Moratorien. Konkret forderte er ein sofortiges Moratorium auf neue Abholzung für den Sojaanbau in Amazonien und ein weiteres auf Vergabe von neuen Forstkonzessionen in der Demokratischen Republik Kongo.
Mittel für Aufforstung nicht genug, Alternativen gesucht
Neue Finanzierungsinstrumente forderte Gerhard Dieterle von der Weltbank. Sie sollten die Standardansätze im Rahmen von Partnerschaften ergänzen. Die Weltbank beschäftige sich intensiv mit der Finanzierung im Waldsektor. Für Aufforstung würden 300 bis 500 Millionen US-Dollar jährlich ausgegeben. Das sei "beachtlich, aber nicht genug", so Dieterle, der auf einen Vorschlag der Weltbank für ein Pilotprogramm "Forest Carbon Partnership Facility" hinwies. Auch nach Meinung von Jon Hutton, Direktor UNEP-World Conservation Monitoring Centre, sei für die Millenniumsentwicklungsziele beim Klimaschutz "bei weitem nicht genug" getan worden. Der Kampf gegen die Abholzung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sei sehr wichtig. Man müsse aber über die Mechanismen diskutieren und sich auch Gedanken über Risiken machen. So könne der Druck auf andere Länder und Ökosysteme verlagert werden. Möglich sei, dass "perverse" Anreize geschaffen werden - etwa bis 2012 "noch mit aller Macht" abzuholzen. Was den Emissionshandel in der EU angeht, forderte Hutton eine Änderung. Er solle um einen Optionsmechanismus ergänzt werden.