"Kein Gegengeschäft mit Zammar"
Der Fall des seit dem Jahreswechsel 2001/2002 in Damaskus inhaftierten Deutsch-Syrers Mohammed Haydar Zammar hat bei der im Juli 2002 auf Initiative der Bundesregierung erfolgten Einstellung des Verfahrens gegen zwei der Agententätigkeit angeklagte Syrer keine Rolle gespielt: Dies erklärten Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm und der damalige Justiz-Staatssekretär Hansjörg Geiger am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss.
Ausschuss prüft deutsche Beteiligung
So habe man sich, wie Geiger auf eine Frage von SPD-Obmann Michael Hartmann sagte, auf diese Weise auch keinen Zugang zu dem Terrorverdächtigen in Damaskus verschaffen wollen, wo Zammar im November 2002 von hiesigen Vernehmern verhört wurde. Der Ausschuss prüft, ob deutsche Stellen eine Mitverantwortung trifft für die im Herbst 2001 auf Veranlassung der USA erfolgte Festnahme Zammars in Marokko samt der seitherigen Einkerkerung des deutschen Staatsbürgers in einem Gefängnis, das im Ruf der Folter steht.
Regierung wollte Informationen von Syrien
Zum Stopp des Spionageprozesses erklärte Nehm, angesichts der terroristischen Bedrohungen nach den Attentaten vom 11. September habe sich die Regierung Syrien aus sicherheitspolitischem Interesse "warmhalten wollen", um über Damaskus eventuell nützliche Informationen zu Al Qaida zu erhalten. Er wolle nicht ausschließen, so der Zeuge, dass Zammar bei vorbereitenden Gesprächen in Berlin mit Vertretern seiner Behörde am Rande mit angesprochen worden sei. Bei seiner Entscheidung, das Verfahren gegen die Agenten einzustellen, sei dieser Fall jedoch außen vor geblieben. Nehm sagte, er sei über das Justizministerium nicht in einem formellen Sinne angewiesen worden, den Prozess gegen die beiden Syrer zu beenden: Es habe sich um eine "gewichtige Meinung" der Regierung gehandelt, die zu berücksichtigen gewesen sei.
Unglücklich über Verfahrenseinstellung
Geiger räumte ein, dass man über diese Verfahrenseinstellung bei der Generalbundesanwaltschaft "sehr unglücklich" gewesen sei, das habe man als "ungute Situation" empfunden. Auf Frage des FDP-Abgeordneten Max Stadler sagte der frühere Staatssekretär, bei den seinerzeitigen Verhandlungen mit Damaskus wie auch zu einem späteren Zeitpunkt habe man die Forderung nach einer Überstellung Zammars in die Bundesrepublik als Gegenleistung zur Freilassung der zwei angeklagten Syrer nicht erwogen.
Keine Daten an US-Stellen übermittelt
Bei den nach dem 11. September im Herbst 2001 gegen Zammar eingeleiteten Ermittlungen wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung handelte es sich laut Nehm um "kein bedeutsames Verfahren". Der Deutsch-Syrer habe zwar zum Umfeld der Hamburger Attentäter gehört und sei auch bei der Anwerbung von Mitstreitern für Al Qaida aktiv gewesen, sei aber in die Anschläge von New York offenbar nicht involviert gewesen. Versuche, selbst in das Terrornetzwerk einzutauchen, seien von Al Qaida abgewiesen worden. Die Beweislage, so der Zeuge, habe nicht für den Erlass eines Haftbefehls gegen Zammar ausgereicht. Auch habe man dessen Reise nicht verhindert, zumal man überzeugt gewesen sei, dass Zammar nach Deutschland zurückkehren werde. Die Bundesanwaltschaft hat laut Nehm keine Informationen über dessen Reiseroute an US-Stellen übermittelt, eine Weitergabe der Daten durch das BKA könne er jedoch nicht ausschließen.
Hypothesen abgelehnt
Stadler verwies auf die Aussage eines US-Geheimdienstlers, wonach seinerzeit die Europäer über jeden ins Ausland gereisten Terrorverdächtigen froh gewesen seien, weil sich dann dort die USA um die Betreffenden kümmern würden. Ob man in der Hinnahme der Ausreise Zammars Anzeichen für eine solche gemeinsame Operation mit US-Behörden sehen könne, wollte der Liberale wissen. Nehm lehnte es ab, derartige Hypothesen zu bewerten. Der SPD-Politiker Hartmann wies solche "Verschwörungstheorien" zurück.
Informationen veraltet
Nehm wie Geiger betonten, dass die Bundesanwaltschaft zu dem Verhör Zammars in Damaskus nicht hinzugezogen worden sei. Auch wegen der rechtsstaatlich fragwürdigen Zustände und der problematischen Haftbedingungen in Syrien habe man, so der Ex-Staatssekretär, eine "Kontaminierung" hiesiger Ermittlungsverfahren vermeiden wollen. Die Befragung Zammars habe allein das Ziel verfolgt, über eventuelle neue Erkenntnisse zu terroristischen Strukturen entsprechenden Gefahren besser begegnen zu können. Zu den trotzdem über die Vernehmung des Deutsch-Syrers zu Nehms Behörde gelangten Informationen sagte der ehemalige Generalbundesanwalt, diese Unterlagen hätten prozessual keine Bedeutung gehabt. Ohnehin sei damals die Zeit über Zammar bereits hinweggegangen gewesen: "Er war keine interessante Figur mehr".
Zeugenvernehmungen von
- Kay Nehm, Generalbundesanwalt a. D. beim Bundesgerichtshof
- Prof. Dr. Hansjörg Geiger, ehem. Staatssekretär im BMJ
- Herr Dr. C., Bundesnachrichtendienst