Ärzte lehnen unnötige Schönheitsoperationen bei Jugendlichen ab
Die Kinder- und Jugendärzte unterstützen die
Bestrebungen der Koalitionsfraktionen zum Schutz von
Minderjährigen vor medizinisch nicht notwendigen
Schönheitsoperationen. In einer Anhörung des
Gesundheitsausschusses am Mittwoch, dem 23. April 2008, zu einem
Antrag von Union und SPD (
16/6779) betonte der Sprecher des
Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte
(BVKJ), sein Verband lehne schönheitschirurgische
Eingriffe zur Erfüllung eines Schönheitsideals auch bei
Zustimmung der Eltern ab. Als Beispiele nannte er etwa
Brustvergrößerungen und aufgespritzte Lippen. Die Folgen
seien "oft unabsehbar und weder von den minderjährigen
Patienten noch ihren Erziehungsberechtigten seriös
abschätzbar". Der Verbotsforderung schloss sich die
Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Brunhilde
Raiser, an.
"Verbot nicht der richtige Weg"
Einige Experten äußerten jedoch Zweifel, ob die
Grenze zwischen nötigen und unnötigen Eingriffen klar
genug gezogen werden könne, und lehnten ein Verbot ab. So
sagte der Chefarzt für Plastische und Ästhetische
Chirurgie an der Fachklinik Hornheide, Albrecht
Krause-Bergmann, er halte ein Verbot nicht für den
richtigen Weg. Die Übergänge, wann ein
schönheitschirurgischer Eingriff notwendig sei oder nicht,
seien fließend. Gleichwohl plädierte er dafür, dass
bei Operationen an Kindern und Jugendlichen stets eine
zusätzliche Instanz zum behandelnden Arzt hinzugezogen werden
müsse.
Zahl der Operationen wird überschätzt
Der Präsident der Gesellschaft für Ästhetische
Chirurgie Deutschland, Professor Heinz Bull,
unterstrich, die Zahl von Schönheitsoperationen bei
Jugendlichen werde überschätzt. Der Präsident der
Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und
Ästhetischen Chirurgen, Professor Günter
Germann, fügte hinzu, Eingriffe bei
Minderjährigen fänden überwiegend wegen psychischen
Leidensdrucks aufgrund fehlgebildeter Ohren statt.
Verbraucher besser schützen
Erklärtes Ziel des Koalitionsantrages ist es, Verbraucher
besser vor Missbräuchen bei Schönheitsoperationen zu
schützen. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
berufsrechtliche und sonstige Möglichkeiten von Verboten von
nicht medizinisch indizierten Schönheitsoperationen an
Minderjährigen zu prüfen. Zudem appellieren Union und SPD
an die Länder, sich dafür einzusetzen, dass ihre
Überwachungsbehörden für die Berufsausübung
verstärkt darauf achten, dass nur entsprechend qualifizierte
Personen schönheitschirurgische Eingriffe vornehmen. Von der
ärztlichen Selbstverwaltung verlangen die
Koalitionsfraktionen, einen Kriterienkatalog als Wegweiser für
Patienten zu erarbeiten. Dieser solle Interessenten an
Schönheitsoperationen dabei unterstützen, eine
Qualitätsauswahl unter den Anbietern zu treffen. In dem Antrag
wird darauf verwiesen, dass laut Schätzungen jährlich
mehr als eine Million Menschen Schönheitsoperationen an sich
vornehmen lassen, Tendenz steigend.
Ärztehaftpflicht oft nicht ausreichend
Der Hamburger Medizinrechtsexperte Matthias
Teichner sagte, vor Gericht würden Patienten mit
missglückten Schönheitsoperationen meist den
Kürzeren ziehen. In der Regel seien die Ärzte in der
Lage, anhand von Schriftstücken, die die Patienten
unterschrieben hätten, nachzuweisen, dass sie rechtzeitig
über mögliche Komplikationen aufgeklärt hätten.
Zudem reiche die Arzthaftpflicht in der kosmetischen Chirurgie
oftmals nicht aus, um angemessene Entschädigungen zu zahlen.
Hier bestehe "dringender Handlungsbedarf", sagte
Teichner.
Zertifizierte Qualifikation nachweisen
Der Rechtsexperte der Bundesärztekammer, Gerhard Nösser, sagte, eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflicht bestehe, es gebe aber keine Pflicht zum Nachweis des Versicherungsschutzes. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatienInnenstellen (BAGP) forderte Kirsten Schubert, Anbieter von Schönheitsoperationen müssten eine zertifizierte Qualifikation nachweisen. Bislang sei es so, dass die Operationen von "sämtlichen medizinischen Fachgruppen durchgeführt werden" dürften.