Kampf gegen Antisemitismus
Die Anstrengungen im Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland müssen weiter vorangetrieben werden. Darin waren sich die Sachverständigen während einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am Montag, dem 17. Juni 2008 einig. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass Antisemitismus in allen Altergruppen und sozialen Schichten anzutreffen sei.
Bundesbeauftragter für Kampf gegen Antisemitismus
gefordert
Laut Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sprechen sozialwissenschaftliche Studien von einem "latent antisemitischen Einstellungspotenzial" in der Bevölkerung von 20 Prozent. Deidre Berger vom American Jewish Committee lobte die Bundesregierung für ihre führende Rolle im internationalen Kampf gegen Antisemitismus und plädierte dafür, auf parlamentarischer Ebene das Amt eines Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus zu schaffen. Die zunehmende Ablehnung einer Verantwortung aufgrund der deutschen Vergangenheit - wie sie in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen sei - führt nach Ansicht von Professor Werner Bergmann von der Technischen Universität Berlin zu einer Abschwächung der Tabuisierung des Antisemitismus. Als Folge würden derartige Einstellungen offener geäußert als früher - und dies nicht nur am "rechtsextremen Rand der Gesellschaft".
Antisemiten von der Gesellschaft ausschließen
Aus Sicht des Publizisten Henryk M. Broder habe man beim Antisemitismus nicht mit einem Vorurteil, sondern mit einem Ressentiment zu tun. "Der Antisemit nimmt dem Juden nicht übel, wie er ist, sondern, dass er existiert", so Broder. Es bringe nichts, mit Antisemiten zu diskutieren. Vielmehr müsse man sie ausgrenzen. "Die Gesellschaft muss klar machen, dass sie Antisemitismus verachtet", forderte Broder, der insbesondere vor dem "modernen Antisemit ohne Glatze, dafür aber mit guten Manieren" warnte. Für Aycan Demirel von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus handelt es sich weder um ein neues Problem noch um ein Problem der Einwanderungsgesellschaft. Zu einer erfolgreichen Bekämpfung des Phänomens könnten auch Politiker beitragen, indem sie sich geschlossen gegen Israelfeindschaft und Antisemitismus positionieren und somit den Stellenwert lokaler Initiativen hervorheben und ihre Arbeit unterstützen. Die neue Förderpraxis des Bundesprogramms "Vielfalt", stelle jedoch gerade viele kleine Initiativen aus dem lokalen Umfeld vor große Hürden, kritisierte Demirel.
Antisemitismusbericht und Bildung von Kompetenzzentren
Elke Gryglewski von der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz forderte dazu auf, Jugendliche "ernst zu nehmen und wertzuschätzen". Dann käme es ihrer Ansicht nach nicht zu antisemitischen Äußerungen. Die präventive Arbeit von Gedenkstätten könne nur erfolgreich sein, wenn es auch Veränderungen im Bildungssystem gebe, machte Gryglewski deutlich. Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland erhob ebenfalls die Forderung nach einem Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, der jährlich einen Bericht über die Entwicklungen in diesem Bereich vorlegen müsste. Für einen jährlichen Antisemitismusbericht sprach sich auch Professor Julius Schoeps von der Universität Potsdam aus. Dieser solle durch eine vom Parlament einzusetzende Expertenkommission erstellt werden und müsse Handlungsempfehlungen entwickeln. Die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen Extremismus und Antisemitismus einsetzen, sei eines der zentralen Anliegen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), sagte deren Vorsitzender, Thomas Krüger. Gefördert werde daher beispielsweise die Initiative "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage". Dieses Netzwerk umfasse 435 Schulen mit rund 350.000 Schülern. Außerdem unterstütze die bpb die Qualifizierung von Fachkräften der politischen Bildungsarbeit sowie die Bildung von Kompetenzzentren.