Was macht eigentlich ...
Der medizinische und technische Fortschritt ist rasant - und er wirft viele ethische Fragen auf, die in der Gesellschaft debattiert und irgendwann auch im Parlament entschieden werden müssen. Um diesen Prozess zu unterstützen, wurde im April 2008 der Deutsche Ethikrat ins Leben gerufen. Wir stellen den Sachverständigenrat, der sich gleichermaßen als Beratungsgremium und Dialogforum versteht, vor.
Herausforderung für Politik und Gesellschaft
Stammzellforschung, Sterbehilfe, Fortpflanzungsmedizin: Darf alles, was heute technisch und medizinisch möglich ist, auch gemacht werden? Wo liegen die Grenzen des ethisch Vertretbaren im Umgang des Menschen mit sich selbst und mit der Natur?
Auf solche Fragen muss die Politik Antworten finden. Denn nur klare gesetzliche Regelungen können den Betroffenen - Ärzten, Wissenschaftlern, Patienten - Rechtssicherheit geben. Gefordert ist aber auch die Gesellschaft insgesamt. Denn eine breite öffentliche Debatte über diese Fragen ist Voraussetzung dafür, dass das Parlament den Mehrheitswillen der Bevölkerung gesetzgeberisch umsetzen kann.
Experten gefragt
Keine leichte Aufgabe in einer Zeit, in der sich die Fortschrittsmeldungen aus Wissenschaft und Forschung geradezu überschlagen. Zugleich ist immer mehr Expertenwissen nötig, um die rasanten Entwicklungen in den Lebenswissenschaften samt ihren möglichen Konsequenzen zu verstehen.
Daher wurde im April 2008 der Deutsche Ethikrat ins Leben gerufen. 26 namhafte Persönlichkeiten - Philosophen, Theologen, Mediziner, Naturwissenschaftler, Juristen, Politiker - gehören dem Sachverständigenrat an, der eine doppelte Aufgabe hat: Zum einen soll er Bundesregierung und Bundestag in politischen und gesetzgeberischen Fragen beratend zur Seite stehen. Zum anderen, so Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), soll er "ein nationales Forum für den Dialog über zentrale ethische Fragen in den Lebenswissenschaften" sein.
Parlamentarisch legitimiert
Damit knüpft der Deutsche Ethikrat inhaltlich an die Arbeit des Nationalen Ethikrates an, der im September 2007 zum letzten Mal getagt hatte. Im Unterschied zu diesem basiert die Einrichtung des Deutschen Ethikrats aber nicht auf einem Kabinettsbeschluss, sondern auf dem so genannten Ethikratgesetz, das am 1. August 2007 in Kraft getreten ist. Außerdem werden seine Mitglieder nicht mehr ausschließlich von der Bundesregierung benannt, sondern zur Hälfte von den im Bundestag vertretenen Fraktionen.
Durch diese Neuregelungen ist der neue Ethikrat anders als sein Vorgänger parlamentarisch legitimiert. Dies sei vor dem Hintergrund der "schwierigen und hoch umstrittenen Grundsatzfragen", die zur Diskussion stünden, auch notwendig, so Norbert Lammert (CDU). Der Bundestagspräsident betonte bei der Konstituierung des Ethikrats am 11. April 2008, dass dieser den politischen und gesellschaftlichen Diskurs unterstütze, gerade weil er Meinungsverschiedenheiten Raum gebe. Seine Vielstimmigkeit entspreche dem demokratischen Politikverständnis, in dem moralische Ansprüche unverzichtbar seien.
Begleitung im Bundestag
Zum Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates wurde der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete und Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig gewählt. Ihm stehen zwei Stellvertreter zur Seite: der Freiburger Theologieprofessor Eberhard Schockenhoff und die Kölner Medizinerin Christiane Woopen. Die Mitglieder des Rates üben ihr Amt laut Gesetz persönlich und unabhängig aus.
Im Bundestag begleitet wird die Arbeit des Ethikrats durch einen Parlamentarischen Beirat, dem neun Abgeordnete als ordentliche Mitglieder angehören. Das Gremium unter Vorsitz des SPD-Abgeordneten René Röspel soll unter anderem die Stellungnahmen und Empfehlungen des Ethikrats zur Diskussion im Bundestag vorbereiten.
Aktuelle Themen
Der Deutsche Ethikrat kommt in der Regel einmal im Monat in Berlin zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen - das nächste Mal am 28. August. Auf der Agenda dieser bisher sechsten Sitzung stehen Fragen der Zukunft der Alten- und Behindertenhilfe. In den vergangenen Sitzungen wurden unter anderem die genetische Chimärenforschung - also die Forschung an Mensch-Tier-Embryonen-, Fragen der anonymen Geburt und Aspekte der Ernährung behandelt.