Fanprojekte sind unersetzlich
„Wenn es Fanprojekte nicht schon gäbe, müssten sie erfunden werden.“ Dieser Aussage des Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB), Theo Zwanziger, konnten sich bei der öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwoch, dem 12. November, sämtliche geladenen Sachverständigen anschließen.
Thema der Anhörung waren die Ursachen für Extremismus und Gewalt im Fußball und die Wirksamkeit von vorbeugenden Maßnahmen, aber auch die Unterwanderung von Sportvereinen vor allem durch rechtsextremistische Gruppierungen und Parteien.
Programme und KampagnenT
Der DFB setze auf die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften, sagte Präsident Theo Zwanziger und stellte zugleich fest: „Unsere Gesellschaft ist keine heile Welt.“ Es müsse darum gehen den Umgang miteinander auf und am Fußballplatz „menschenwürdiger und respektvoller“ zu gestalten.
Wichtig sei dabei die intensive Zusammenarbeit mit Fanprojekten. Der DFB kooperiere zudem sehr eng mit seinen Regional- und Landesverbänden und führe eine Vielzahl an gemeinsamen Programmen und Kampagnen durch.
Kein Spezialproblem des Fußballs
Zwanziger bestätigte, dass rechtsradikale Gruppierungen Sportvereine für ihre Zwecke zu missbrauchen suchten. Hier gelte es Gegenwehr zu leisten. Rassismus und Gewalt seien kein Spezialproblem des Fußballs, würden dort aber verstärkt in Erscheinung treten, sagte Michael Vesper, Generalsekretär de Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Vesper warf einen besonderen Blick auf den Amateur- und Jugendfußball. Aus „eigener Erfahrung“ wisse er, wie es teilweise bei Jugendspielen zugehe. Dabei präge das schlechte Benehmen der Erwachsenen das Verhalten der Jugendlichen und Kinder. „Antirassismusarbeit fängt in der E-Jugend an“, so Vesper.
Weniger Rassismus-Fälle
Seit der Einführung des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit im Jahre 1993 habe es keinen Todesfall im Rahmen von Fanausschreitungen mehr gegeben, sagte Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend (KOS). Auch die Rassismus-Fälle seien in der ersten und zweiten Bundesliga weniger geworden.
Diese Entwicklung, so Gabriel, sei von den Fußballfans selber angestoßen worden. Inzwischen würden jedoch auch die Verbände und Vereine diese Entwicklung unterstützen. Dennoch warnte Gabriel davor, die Fanprojekte zu überfordern. Es dürfe nicht das Motto gelten: Fanprojekt gegründet – Problem gelöst.
Rechte Parteien und Kameradschaften
Martin Endemann vom Bündnis Aktiver Fußballfans forderte, die Dinge beim Namen zu nennen: Beim Fußball gehe es nicht um irgendeinen Extremismus, sondern ganz klar um das Problem des Rechtsextremismus. Rechte Parteien und Kameradschaften drängten in die Amateurvereine, so Endemann, der von einer „bedrohlichen Situation“ sprach.
Endemann kritisierte, dass Vereine und Verbände sich jahrelang nicht am rechten Gedankengut in der Fankurve gestört hätten. Das Engagement dagegen sei von den Fans ausgegangen. Vielfach reagierten Vereine erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen sei.
Extremismus nicht nur am Rand der Gesellschaft
Aus Sicht von Professor Gunter A. Pilz von der Universität Hannover sind Rassismus und Extremismus kein Problem der Ränder der Gesellschaft, sondern haben längst die Mitte erreicht. Entsprechend würden sich Rassismus und Rechtsextremismus nicht nur auf die Fan- und Ultraszene beschränken, sondern auch unter „normalen“ Zuschauern anzutreffen sein.
Liste der Sachverständigen:
- Martin Endemann, Berlin
- Gerd Dembowski, Berlin
- Dr. Thomas Bach, Frankfurt am Main
- Michael Gabriel, Frankfurt am Main
- Dr. Theo Zwanziger, Altendiez
- Prof. Dr. Gunter-A. Pilz, Hannover
- Andreas Piastowski, Düsseldorf