Seismograf der Stimmungen
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. So steht es im Artikel 17 des Grundgesetzes. Der Petitionsausschuss des Bundestages ist der Seismograf, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet.
Von dem Recht, eine Petition einzureichen, ist in den vergangenen
Jahren eifrig Gebrauch gemacht worden. Mit steigender Tendenz:
Gingen im Jahr 2007 laut Tätigkeitsbericht des
Petitionsausschusses (
16/9500) 16.260 Petitionen und Eingaben ein,
waren es allein bis zum 30.November 2008 schon 16.957
Neueingaben.
Das Themenspektrum ist vielseitig. In der parlamentarischen
Prüfung befinden sich derzeit Forderungen nach einem
sonntäglichen Fahrverbot sowie einem Verbot von Wahlplakaten.
Ob Miet- oder Verkehrsrecht, Umwelt- oder Tierschutz, ob
Arbeitsmarktpolitik oder Steuerrecht – per Petition versuchen
immer mehr Bürger, politische Entscheidungsprozesse
mitzubeeinflussen.
Petition per Mausklick
Um Petitionen noch unkomplizierter abgeben zu können, hat der Bundestg die Möglichkeit geschaffen, sie vom heimischen Computer aus per Mausklick direkt an den Bundestg zu schicken. Nach einem erfolgreichen dreijährigen Modellversuch schaltete Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) am 13. Oktober 2008 den Internetauftritt für elektronische Petitionen für den dauerhaften Betrieb frei.
Bis zum 18. Dezember hatten sich schon 15.681 Nutzer fest
angemeldet, die öffentliche Petitionen einreichen,
mitdiskutieren und auch mitzeichnen können. Etwa 20.000
Aufrufe pro Tag verzeichnet die Seite für die so genannten
E-Petitionen. Als „aktiven Beitrag zum Abbau von
Politikverdrossenheit“ bezeichnet die Ausschussvorsitzende
Kersten Naumann (Die Linke) das Angebot.
Preisgekrönt
Das Portal wurde schließlich sogar zum Preisgewinner. Die Zeitschrift „Politik und Kommunikation“ verlieh ihren "Politik-Award" in der Kategorie Innovation an das Internetportal E-Petitionen des Petitionsausschusses.
Schicksal ehemaliger Heimkinder
Fragt man die Ausschussvorsitzende nach der Petition, die den Ausschuss im Jahr 2008 am intensivsten in Anspruch genommen hat, fällt ihr die Antwort nicht schwer: „Keine Petition hat uns so beschäftigt wie das Schicksal ehemaliger Heimkinder in der Bundesrepublik in der Zeit zwischen 1945 und 1970.“
Damals wurde in Kinder- und Erziehungsheimen Kindern seelische und
körperliche Gewalt angetan, zudem mussten sie Zwangsarbeit
verrichten. Dank des Engagements der Betroffenen und der Arbeit des
Ausschusses wird nun ein Runder Tisch eingerichtet, der das
erfahrene Unrecht aufarbeiten soll.
Patentrecht und Praxisgebühr
Aber auch andere Anliegen fanden die Unterstützung desAusschusses. So unterstützte er die Beschwerde eines Bürgers, der das nationale und europäische Patentrecht als unzulänglich kritisiert und die Schaffung eines europäischen Schutzrechts gefordert hatte.
Wie der Petent sprach er sich dafür aus, ein europäisches
Gemeinschaftspatent zu schaffen. Mit der Überweisung der
Petition unter anderem an das Europäische Parlament soll
sichergestellt werden, dass die Forderung in die neuen
Verhandlungen zur Einführung eines Gemeinschaftspatentes auf
europäischer Ebene einfließt. Auch der Forderung, bei
ambulanten Notfällen die so genannte Praxisgebühr in
Ausnahmefällen nicht erneut zu erheben, schloss sich der
Ausschuss an.
Empfehlungen nicht bindend
Allerdings sind die vom Petitionsausschuss ausgesprochenen Empfehlungen für die zuständigen Ministerien nicht bindend. Die Forderung von Anwohnern nach einer Lärmschutzwand an der Autobahn 2 im Siedlungsbereich Pausheide in Nordrhein-Westfalen überwies der Ausschuss bereits im September 2007 "zur Berücksichtigung" an das Bundesverkehrsministerium.
Dieses setzte den Bundestagsbeschluss jedoch nicht um: Es bestehe
dort weiterhin kein gesetzlicher Anspruch auf eine
Lärmschutzwand, sagte ein Vertreter des Ministeriums im Juni
2008 im Petitionsausschuss. Schließlich würden dadurch
Kosten in Höhe von rund einer Million Euro entstehen. Die
Aufwendungen für passiven Lärmschutz wie etwa
schalldichte Fenster lägen hingegen nur bei rund 26.000
Euro.