81.000 Fälle beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig
Berlin: (hib/JBU) Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sind derzeit rund 81.000 Beschwerden wegen Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschrechte und Grundfreiheiten anhängig. Dies war den Ausführungen von Professor Georg Ress zu entnehmen, der als ehemaliger Richter am EGMR im Fachausschuss über den Menschenrechtsschutz im Gebiet des Europarates informiert hat. Der Ausschuss befasste sich am Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung mit der Reform und Stärkung europäischer Menschenrechtsschutzsysteme. Er hatte dazu vier Experten geladen, die die unterschiedlichen Verfahren zum Schutz der Menschenrechte in Europa aus dem Blickwinkel der verschiedenen Institutionen beleuchteten: Neben dem EGMR in Straßburg gehörten dazu die Europäische Union (EU) und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ress plädierte dafür, den EGMR durch die EU zu stärken sowie die Zusammenarbeit des EGMR mit den jeweiligen Mitgliedstaaten zu intensivieren. Dadurch werde das gesamte System gefördert. Dies sei insbesondere im Hinblick auf Vollstreckungsschwierigkeiten der durch den EGMR gefällten Urteile erforderlich. Die Außenministerien seien dabei im Besonderen dazu aufgerufen, zu einer Verbesserung des Menschenrechtsschutzes beizutragen.
Dem Menschenrechtsschutz innerhalb der EU widmete sich Lotte Leicht von "Human Rights Watch" in Brüssel. Sie betonte die Bedeutung der EU in Menschenrechtsfragen auch für Gremien anderer Staaten. Kritik äußerte sie insbesondere im Hinblick auf häufig mangelnde Expertise in Arbeitsgruppen, Komitees und im Stab des Sonderbeauftragten für Menschrechte. Der Einsatz von Menschrechtsexperten müsse in wesentlich höherem Maße zum Zuge kommen. Darüber hinaus müsse der Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Staaten wie beispielsweise dem Iran, China und auch Russland auf höchster politischer Ebene vorangetrieben und diesem dadurch konsequent Nachdruck verliehen werden.
Eine institutionelle Ausgestaltung des EU-Grundrechtsschutzes forderte Wolfgang S. Heinz vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Angesichts der zunehmenden Vertiefung der Europäischen Integration in menschenrechtssensiblen Bereichen wie zum Beispiel dem Einwanderungs- und Asylrecht sei eine polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen unabdingbar. Dies erfordere eine demokratische, präventive und gerichtliche Grundrechtskontrolle über die EU-Aktivitäten in den betroffenen Sektoren. Heinz betonte, dass sich ein umfassender Menschenrechtsschutz nur aus dem Verbund der drei europäischen Institutionen (EU, OSZE, EGMR) ergebe. Kritik äußerte er insbesondere hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des EGMR. Dies stelle ein ernsthaftes Problem dar.
Die Nutzung von Synergieeffekten der menschenrechtlichen Instrumente von allen drei genannten Organen forderte der ehemalige deutsche Botschafter Wilhelm Höynck. Um den Schutz der Menschenrechte in Europa besser zu gestalten, müsse der Netzwerkcharakter gefördert und damit eine bessere Koordination und Kooperation hergestellt werden. Darüber hinaus sollte mit "Beitragslob" und "Beitragstadel" ein Kontrollmechanismus bei der OSZE installiert werden, wie er beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bereits bestehe.
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