Finanzausschuss (Anhörung)/
Berlin: (hib/VOM) Rating-Agenturen haben im Zuge der
US-Hypothekenkrise auch falsche Bewertungen abgegeben. Dies haben
die Vertreter der führenden Agenturen am Mittwochmittag im
Finanzausschuss unumwunden zugegeben. Der Ausschuss hatte Vertreter
der Agenturen, der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der Deutschen Bundesbank
sowie Wissenschaftler zu einer nichtöffentlichen Anhörung
eingeladen, um herauszufinden, ob es gesetzgeberischen
Handlungsbedarf gibt. Der Präsident des Bayerischen
Finanzzentrums München, Professor Wolfgang Gerke, warf den
Agenturen zwar einerseits vor, bei der Vorhersage der Finanzkrise
"in großem Stil" versagt zu haben, weil es ihnen nur
beschränkt gelungen sei, Investoren frühzeitig vor
Fehlentwicklungen zu warnen. Auf der anderen Seite brach er aber
auch eine Lanze für die Rating-Agenturen, die umso wichtiger
würden, je komplexer sich die zu bewertenden Finanzprodukte
darstellten. Der Idee einer Europäischen Rating-Agentur
erteilt Gerke eine klare Absage: "Der Markt würde sie gar
nicht aufnehmen." Die Banker hätten sich damit herausgeredet,
dass sie die Komplexität ihrer eigenen Finanzprodukte nicht
mehr verstanden hätten. Jetzt aber nur noch standardisierte
Produkte zuzulassen, wäre für Gerke der falsche Schritt.
Bestimmte Finanzprodukte in Deutschland vom Markt zu verbannen,
würde den heimischen Finanzplatz kaputtmachen, sagte der
Professor. Er unterstrich die Forderung nach mehr Transparenz bei
den Rating-Agenturen. Sein Kollege Professor Jörg Huffschmid
von der Universität Bremen zeigte sich hingegen
überzeugt, dass eine Marktlösung nicht funktioniert.
Selbst die US-Aufsichtsbehörde denke über
Standardisierungen nach. Huffschmid nannte als mögliche
Alternativen, die Rating-Agenturen der öffentlichen
Finanzaufsicht zu unterstellen oder aber parallel zu den
privatwirtschaftlichen auch öffentliche Rating-Agenturen zu
schaffen. Es gebe einen Interessenkonflikt zwischen
Einnahmenmaximierung einerseits und einer korrekten Bewertung
andererseits. Professor Roman Inderst sah nur in drei Fällen
eine Rechtfertigung, institutionelle Anleger zu schützen: wenn
es sich um Kleinanleger handelt (Retail-Geschäft), wenn es um
die Vermeidung "systemischer Risiken" geht (Basel-II-Anforderungen)
und wenn Wettbewerb hergestellt werden muss. In diesen Fällen
sei Regulierung erforderlich, so Inderst. Thomas Schmitz-Lippert
sagte als Vertreter der BaFin, die freiwilligen Verhaltensregeln
("Code of conduct") der Internationalen Organisation der
Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) von 2003 reichten nicht
aus, weil es sich dabei nicht um bindende Regelungen handele.
Schmitz-Lippert bejahte zwar eine "Marktlösung", diese
Selbstverpflichtungen müssten aber intern auch umgesetzt
werden. Für Erich Harbrecht von der Deutschen Bundesbank
sollten die Rating-Agenturen bei "strukturierten" Finanzprodukten
auf die Risiken hinweisen müssen. In der Diskussion sei auch
eine eigene Rating-Skala nur für solche Produkte.
International sei da "vieles im Fluss". Auch die Bereitschaft der
Rating-Agenturen zum Dialog sei sehr hoch. Wie Schmitz-Lippert
sprach sich auch Harbrecht für eine Marktlösung und gegen
staatliche Regulierung aus. Auch aus Sicht des
Bundesbank-Vertreters sind die Interessenkonflikte bei den
Rating-Agenturen gerade bei strukturierten Produkten in den
Vordergrund getreten. Torsten Hinrichs von der Agentur Standard
& Poor's sagte, im Nachhinein müsse man Konsequenzen
ziehen. Die Agenturen hätten sich auch bei ihrer Bewertung auf
das verlassen, was ihnen von den Banken an Daten geliefert worden
sei. Nun müsse man selbst die Datenlage verbessern. Ratings
seien Aussagen zur Bonität, zur Ausfallwahrscheinlichkeit
eines Produkts. Die Lehre sei, dass künftig zusätzlich zu
Bonitätsaussagen auch andere Faktoren erörtert werden
müssten und der Markt noch intensiver zu informieren sei.
Oliver Everling von der Rating Evidence GmbH sprach sich wie
Professor Gerke für mehr Transparenz, aber auch für mehr
Wettbewerb aus. Er warnte zugleich vor "überbordender
Regulierung". Helmut Knepel von der Feri Rating & Research GmbH
plädierte dafür, Einfluss auf die Investment-Richtlinien
der internationalen Investoren zu nehmen, um dort ein "rotierendes
System" der Rating-Agenturen zu etablieren, um von dem jetzigen
De-facto-Duopol der führenden Anbieter Standard & Poor's
sowie Moody's zu mehr Wettbewerb zu gelangen. Florian Schoeller von
der Agentur "Scope Analysis" sagte, für kleinere
Rating-Agenturen sei es sehr schwer, ein Gegengewicht zu den
großen etablierten Anbietern aufzubauen.
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