Innenausschuss (Anhörung)/
Berlin: (hib/HAU) Die Anstrengungen im Kampf gegen den
Antisemitismus in Deutschland müssen weiter vorangetrieben
werden. Darin waren sich die Sachverständigen während
einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am
Montagnachmittag einig. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass
Antisemitismus in allen Altergruppen und sozialen Schichten
anzutreffen sei. Laut Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm
sprechen sozialwissenschaftliche Studien von einem "latent
antisemitischen Einstellungspotenzial" in der Bevölkerung von
20 Prozent. Deidre Berger vom American Jewish Committee lobte die
Bundesregierung für ihre führende Rolle im
internationalen Kampf gegen Antisemitismus und plädierte
dafür, auf parlamentarischer Ebene das Amt eines
Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus zu
schaffen. Die zunehmende Ablehnung einer Verantwortung aufgrund der
deutschen Vergangenheit - wie sie in den vergangenen Jahren zu
beobachten gewesen sei - führt nach Ansicht von Professor
Werner Bergmann von der Technischen Universität Berlin zu
einer Abschwächung der Tabuisierung des Antisemitismus. Als
Folge würden derartige Einstellungen offener
geäußert als früher - und dies nicht nur am
"rechtsextremen Rand der Gesellschaft". Aus Sicht des Publizisten
Henryk M. Broder habe man beim Antisemitismus nicht mit einem
Vorurteil, sondern mit einem Ressentiment zu tun. "Der Antisemit
nimmt dem Juden nicht übel, wie er ist, sondern, dass er
existiert", so Broder. Es bringe nichts, mit Antisemiten zu
diskutieren. Vielmehr müsse man sie ausgrenzen. "Die
Gesellschaft muss klar machen, dass sie Antisemitismus verachtet",
forderte Broder, der insbesondere vor dem "modernen Antisemit ohne
Glatze, dafür aber mit guten Manieren" warnte. Für Aycan
Demirel von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus handelt
es sich weder um ein neues Problem noch um ein Problem der
Einwanderungsgesellschaft. Zu einer erfolgreichen Bekämpfung
des Phänomens könnten auch Politiker beitragen, indem sie
sich geschlossen gegen Israelfeindschaft und Antisemitismus
positionieren und somit den Stellenwert lokaler Initiativen
hervorheben und ihre Arbeit unterstützen. Die neue
Förderpraxis des Bundesprogramms "Vielfalt", stelle jedoch
gerade viele kleine Initiativen aus dem lokalen Umfeld vor
große Hürden, kritisierte Demirel. Elke Gryglewski von
der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz forderte dazu auf,
Jugendliche "ernst zu nehmen und wertzuschätzen". Dann
käme es ihrer Ansicht nach nicht zu antisemitischen
Äußerungen. Die präventive Arbeit von
Gedenkstätten könne nur erfolgreich sein, wenn es auch
Veränderungen im Bildungssystem gebe, machte Gryglewski
deutlich. Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland
erhob ebenfalls die Forderung nach einem Bundesbeauftragten
für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit, der jährlich einen Bericht über die
Entwicklungen in diesem Bereich vorlegen müsste. Für
einen jährlichen Antisemitismusbericht sprach sich auch
Professor Julius Schoeps von der Universität Potsdam aus.
Dieser solle durch eine vom Parlament einzusetzende
Expertenkommission erstellt werden und müsse
Handlungsempfehlungen entwickeln. Die Stärkung der
zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen Extremismus und
Antisemitismus einsetzen, sei eines der zentralen Anliegen der
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), sagte deren
Vorsitzender, Thomas Krüger. Gefördert werde daher
beispielsweise die Initiative "Schule ohne Rassismus, Schule mit
Courage". Dieses Netzwerk umfasse 435 Schulen mit rund 350.000
Schülern. Außerdem unterstütze die bpb die
Qualifizierung von Fachkräften der politischen Bildungsarbeit
sowie die Bildung von Kompetenzzentren.
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