Streit um BND-Einsatz in Bagdad während des Irak-Kriegs
Berlin: (hib/KOS) Eine scharfe Kontoverse zwischen der SPD und den Oppositionsfraktionen prägte am Donnerstag den Auftakt der parlamentarischen Aufarbeitung der BND-Aktivitäten in Bagdad während des Irak-Kriegs im März/April 2003. Als SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss betonte Michael Hartmann, von deutscher Seite seien keine der von den beiden in Bagdad eingesetzten Agenten gesammelten Informationen an die USA weitergeleitet worden, die der "taktisch-operativen Kriegführung" hätten dienen können. Max Stadler (FDP), Norman Paech (Linkspartei) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) erklärten hingegen, schon vor Beginn der Beweisaufnahme stehe aufgrund der Aktenlage fest, dass der BND militärisch bedeutsame Erkenntnisse an die USA übermittelt habe. Die beiden Geheimdienstmitarbeiter wurden am Donnerstag in geheimer Sitzung befragt. Gegen Ende der Zeugenvernehmungen wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als damaliger Chef des Kanzleramts vermutlich Ende November auftreten. Das Gremium muss aus Sicht Stadlers im Kern klären, wie glaubwürdig angesichts der Rolle des BND in Bagdad die seinerzeit offizielle Haltung der rot-grünen Regierung gewesen sei, Deutschland beteilige sich nicht am Irak-Krieg.
Hartmann bezeichnete die damalige deutsche Entscheidung als richtig, sich über die beiden Agenten eigene Erkenntnisse zur Lage im Irak zu verschaffen. Es habe im BND eine "klare Weisungslage" gegeben, auch wenn diese nicht schriftlich fixiert gewesen sei: dass nämlich an die USA keine kriegswichtigen Nachrichten weitergeleitet werde dürften. Der SPD-Politiker erläuterte, dass die beiden BND-Mitarbeiter nicht direkt mit dem US-Militär in Kontakt gestanden hätten. Vielmehr seien deren Mitteilungen nur "gefiltert" über Pullach und einen in Katar installierten deutschen Verbindungsmann namens "Gardist" an die US-Armee übermittelt worden. Es seien nur "allgemeine Informationen" weitergegeben worden, so Hartmann. Zudem hätten die USA über den BND Erkenntnisse erhalten über den Standort sogenannter "non-targets", also über nicht anzugreifende Ziele wie etwa Botschaften.
Paech und Ströbele kritisierten, dass der Inhalt der von der Regierung dem Ausschuss zur Verfügung gestellten Akten mit Hilfe vieler geweißter Stellen zu großen Teilen unkenntlich gemacht worden sei. Paech sagte, selbst auf der Basis dieser Aktenlage sei klar, dass die beiden Agenten meistens militärische Ziele ausgekundschaftet hätten und es sich bei den markierten "non-targets" nur um Botschaften, nicht aber um Schulen und Kliniken gehandelt habe. Beispielsweise seien irakische Geschützstellungen präzise definiert worden, so der Abgeordnete der Linkspartei. Auch hätten die BND-Mitarbeiter die Wirkung von Bombenangriffen beurteilt, was für eine Kriegführung von großem Belang sei. Der Liberale Stadler merkte an, nach der von den Agenten übermittelten Einschätzung der Folgen eines Bombenabwurfs auf einen irakischen Offiziersclub sei diese Einrichtung kurz danach noch einmal angegriffen worden. Ströbele erklärte, die BND-Mitarbeiter hätten auch Informationen über Stellungen der Republikanischen Garden Saddam Husseins, über MG-Positionen und über Standorte von Militärlastwagen gesammelt. Es sei auch nicht auszuschließen, so der Grünen-Politiker, dass die US-Truppen wegen der Erkenntnisse des BND über die militärische Lage in Bagdad sehr schnell in die irakische Hauptstadt einrücken konnten.
Stadler unterstrich, bei der Beurteilung der Verantwortung der damaligen BND-Spitze und von Ex-Kanzleramtschef Steinmeier lege die FDP Wert auf ein "faires Verfahren". Er lehne eine "Vorverurteilung" ab. Paech sagte, die Führungen des Kanzleramts, des Außenministeriums und des BND hätten genau gewusst, was sie taten. Die Behauptung der ehemaligen rot-grünen Regierung, man beteilige sich nicht am Irak-Krieg, sei durch die BND-Aktivitäten in Bagdad widerlegt.
"Beide Parteien wissen, was Staatsräson ist": Derart antwortete Hartmann auf die Frage, ob die Union im Ausschuss angesichts der Kanzlerkandidatur Steinmeiers die Position der SPD im Falle des BND-Einsatzes in Bagdad unterstützen werde. Der SPD-Obmann verwies auf den von CDU-Kanzleramtsminister Thomas de Maizière zu verantwortenden Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium, der inhaltlich mit den von der Regierung an den Untersuchungsausschuss übermittelten Akten übereinstimme.
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