Tagung der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Deutschen Bundestages und der Länderparlamente sowie der Bürgerbeauftragten der Länder
Z u s a m m e n f a s s u n g
Am Montag und Dienstag, 3. und 4. April 2006, trafen sich die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Deutschen Bundestages und der Länderparlamente sowie die Bürgerbeauftragten der Länder zu einer Tagung im Deutschen Bundestag. Deutschsprachige Ombudsleute aus dem benachbarten Europa waren Gäste der Veranstaltung, die auf Einladung des Bundestagspräsidenten stattfand. Das Zusammentreffen reihte sich ein in eine Tradition derartiger Tagungen, die in der Regel in einem zweijährigen Turnus stattfinden und dem Zweck dienen, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch der voneinander unabhängigen Gremien zu fördern. Die letzte derartige Tagung fand im September 2003 in Kiel statt; die erste vor über dreißig Jahren.
Zur Positionierung der Petitionsausschüsse im Konzert der Ombudseinrichtungen und dem Verhältnis zu den Beauftragten der Bundesregierung betonte die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, Kersten Naumann, dass bei Anrufung der Petitionsausschüsse ein Grundrecht ausgeübt werde, das jeder in Anspruch nehmen könne. Das Petitionsrecht garantiere, dass jede einzelne Petition ernst genommen und eingehend geprüft werde. Die historische Entwicklung bestätige, dass sich das Petitionsrecht bewährt habe. Gleichwohl gelte es, sich im Konzert der Ombudseinrichtungen richtig zu positionieren und Orientierung für den hilfesuchenden Bürger zu geben. Hier setze eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit an. Sie sei eine Daueraufgabe, der man sich immer wieder neu stellen müsse. Daneben sei allerdings nicht weniger wichtig, die Instrumente der Petitionsbearbeitung zu modernisieren und auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Darüber hinaus sei wichtig, dass die Petitionsausschüsse bestrebt sein sollten, ihre Stellung innerhalb der Parlamente weiter zu verbessern. Die Petitionsausschüsse nähmen eine ureigene Parlamentsaufgabe war, deren Bürgernähe sie von allen Fachausschüssen unterscheide. Zudem sollten sie sich in ganz besonderer Weise der Petitionen annehmen, die unmittelbar oder mittelbar auf eine berechtigte Gesetzesänderung abzielen. Keine andere Ombudseinrichtung habe eine so unmittelbare Möglichkeit, Gesetzesänderungen herbei zu führen. Schwachstellen in der Gesetzgebung könnten im Rahmen von Petitionsverfahren früher bzw. besser erkannt und beseitigt werden.
Wenn diese Positionierung gelinge, würde dreierlei erreicht:
1. Das aufgrund von Bürgereingaben bei den Parlamentariern angehäufte Wissen werde effektiv genutzt;
2. Gesetze könnten bürgerfreundlicher ausgestaltet werden und
3. es werde ein wichtiger Beitrag geleistet, den Parlamentarismus zu stärken.
Der Bundestagsabgeordnete Günter Baumann führte hinsichtlich der Stellung des Petitionsausschusses zu den Beauftragten der Bundesregierung aus, dass diese geeignete seien, zu spezifischen Themen die Arbeit der Exekutive ebenso zu flankieren, wie die des Parlaments. Die Zahl und Art der Einrichtungen, die den Bürgerinnen und Bürger außerhalb der ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stehen, sei allerdings immer größer und vielschichtiger - womöglich auch unübersichtlicher - geworden.
Für Bitten und Beschwerden im Sinne des Petitionsrechtes gemäß Artikel 17 Grundgesetz dürften die fachlich zuständigen Organisationseinheiten - einschließlich eventueller Beschwerdeinstanzen - in den einzelnen Geschäftsbereichen der Bundesregierung in der Regel als zuständige Stelle in der Lage sein, Anfragen wirksam wahrzunehmen. Denn dort sei die Aufgabe, die Kompetenz und die Verantwortung für die sachgerechte Erledigung eines Anliegen auch sinnvoll angesiedelt. Was eine derartige Einrichtung für Bürgerinnen und Bürger zu leisten vermag, sollte allerdings für diese transparent sein, damit nicht falsche Hoffnungen geweckt würden. Die Erwartung der Bürgerinnen und Bürger sei hoch, qualifizierte Antworten auf ihre Zuschriften zu erhalten. Sie erwarteten, dass man sich mit ihren Anliegen sachgerecht und auf den konkreten Einzelfall abgestimmt auseinandersetze.
Es sei der ausdrückliche Sinn des Petitionsrechtes, dass die Bürger in ihrem Bedürfnis nach einer stärkeren Beteiligung in öffentlichen Angelegenheiten sowie nach bürgerfreundlicher und transparenter öffentlicher Verwaltung, aber nicht zuletzt auch in der Abwehr eines fehlerhaften oder unverstandenen Verwaltungshandelns durch einen außergerichtlichen, weitgehend form- und kostenlosen Rechtsbehelf unterstützt werden.
Mehr denn je komme es deshalb im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Bearbeitung von Bitten und Beschwerden darauf an, dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages angemessene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um damit gleichzeitig die durch die Wahrnehmung des Petitionsrechtes ausgeübte parlamentarische Kontrolle gegenüber der Exekutive nicht zu schwächen. Darüber hinaus ist es für den Petitionsausschuss wichtig, im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit bei den Bürgerinnen und Bürgern das Bewusstsein hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung und deren nachgeordneten Behörden zu stärken, ihnen die weitgehenden Möglichkeiten und Befugnisse des Petitionsausschusses nahe zu bringen und den Zugang zur parlamentarischen Ombudseinrichtung, nämlich dem Petitionsausschuss, zu erleichtern.
Hinsichtlich der Stellung des Petitionsrechts im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz merkten die Tagungsteilnehmer im Sinne einer „Zwischenbilanz“ an, dass die Möglichkeit, auf Länderebene Härtefallkommissionen einzurichten, geeignet sei, ein zusätzliches Instrument für die Exekutive zu bieten, um die Ziele des Zuwanderungsgesetzes zu erreichen. Es sei aus Sicht der Petitionsausschüsse allerdings wichtig, dass die Einsetzung von Härtefallkommissionen die Stellung der Petitionsausschüsse nicht schwäche. Aus Sicht der Praxis in den Ländern wurde bemängelt, dass die Härtefallkommissionen keine Lösung für so genannte Altfälle bieten könnten. Hier müsse eine mögliche Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes ansetzen.
Die Bundestagsabgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller zog eine positive Zwischenbilanz der mit Wirkung vom September 2005 umgesetzten Modernisierungsvorhaben im Petitionswesen beim Deutschen Bundestag: Petitionen per E-Mail und öffentliche Petitionen im Internet. Man habe den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Bürgernähe und Transparenz beim Petitionsverfahren aufgegriffen und den Einsatz der neuen Medien forciert.
Es habe sich gezeigt, dass beide Neuerungen sehr gut angenommen werden. Der Anteil der E-Mail-Petitionen an der Gesamteingabezahl liege seit September 2005 durchschnittlich bei rund 10 Prozent. Die anfänglichen Befürchtungen einiger Skeptiker, dass der Ausschuss mit E-Mail-Petitionen überschwemmt werde, sei beileibe nicht eingetreten.
Hinsichtlich der Nutzung des Angebots, Petitionen in das Internet zu stellen und zur Diskussion zu stellen, sei ebenfalls eine beachtliche Resonanz feststellbar. Bis zum 28. März 2006 seien 255 öffentliche Petitionen eingereicht worden. 101 habe man zugelassen. 88 öffentliche Petitionen seien aktuell in das Internet eingestellt, 25 könnten noch mitgezeichnet werden. 63 befinden sich in der parlamentarischen Prüfung und weitere 13 werden in den nächsten Tagen durch den Ausschussdienst eingestellt. Zur Einstellung in das Internet abgelehnt habe man 154 Eingaben, diese würden stattdessen als „normale“ Petitionen weiterbearbeitet. Zwei Petitionen habe man aus dem Netz nehmen müssen.
Die Erfahrungen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages bei dem Schritt von der „Briefmarke zum Mausklick“ sollten jenen Mut machen, die noch zögern und ausschließlich auf die konventionelle Form der Petitionseingabe vertrauen.
Schließlich erwähnte Lösekrug-Möller, dass als weitere Neuerung die Möglichkeit vorgesehen sei, bei einem Unterzeichnerkreis von mindestens 50.000 Unterschriften eine öffentliche Anhörung des Hauptpetenten durchzuführen, wenn der Ausschuss dem zustimme.
Der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Hillenberg, führte aus, dass im Zuge der Verwaltungsmodernisierung immer mehr öffentliche Aufgaben aus der Verwaltung ausgelagert und Unternehmen oder anderen privatrechtlich organisierte Einrichtungen übertragen würden. Nach der bisherigen Rechtslage in Berlin seien diese Stellen der unmittelbaren Kontrolle und dem Informationsrecht des Petitionsausschusses entzogen, da sich diese Befugnisse nur auf den Senat als Berliner Landesregierung und allen dem Senat unterstellten Einrichtungen erstreckten. Mit Wirkung vom 25. März 2006 seien die Verfassung von Berlin und das Petitionsgesetz dahingehend geändert worden, dass der Petitionsausschuss unmittelbar von allen juristischen Personen des Privatrechts, nichtrechtsfähigen Vereinigungen und natürlichen Personen, soweit sie unter maßgeblichem Einfluss des Landes öffentliche Aufgaben wahrnehmen, Auskünfte verlangen könne. Die neuen Regelungen bewirkten eine deutliche Stärkung der Befugnisse des Petitionsausschusses gegenüber privatrechtlich organisierten Einrichtungen der staatlichen Daseinsvorsorge.
Des Weiteren befassten sich Tagungsteilnehmer mit dem Informationsfreiheitsgesetz, dem Petitionswesen in Europa unter Berücksichtigung gerichtsnaher Mediation und alternativer Streitschlichtungsverfahren sowie der Zusammenarbeit im europäischen und internationalen Rahmen.
Rückfragen richten Sie bitte an das Sekretariat des Petitionsausschusses (Telefon 030 227 33845; Fax: 030 227 36053); E-Mail: ewald.zimmermann@bundestag.de.
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