Untersuchungsausschuss "Murat Kurnaz" beendet:
Beweise lassen keinen Schluss auf Misshandlungen zu
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses „Murat Kurnaz“, Dr. Karl A. Lamers (CDU), stellv. Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, erklärte heute zur abschließenden Sitzung des Untersuchungsausschusses:
„Der Deutsche Bundestag war gehalten, sich der im Oktober 2006 veröffentlichten Vorwürfe gegen Soldaten der Bundeswehr anzunehmen. Das Parlament muss seine Stellung und Verantwortung den Streitkräften gegenüber ernst nehmen. Das KSK und alle anderen Truppenteile der Bundeswehr haben Anspruch auf Untersuchung und Mitteilung der Ergebnisse an die Öffentlichkeit, die Adressat der ebenfalls öffentlich erhobenen Vorwürfe war.
Ich bin deshalb sehr froh, dass ich Ihnen mitteilen kann, dass es uns gelungen ist, in der heutigen abschließenden Sitzung über einen Abschlussbericht abzustimmen, der in Gänze der Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
Zu den rein statistischen Fakten kann ich folgende Zahlen nennen:
Der vorgelegte Bericht umfasst ca. 470 Seiten und besteht aus fünf Teilen.
Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss hat 22 Monate, also fast zwei Jahre lang, am Untersuchungsauftrag gearbeitet - die konstituierende Sitzung fand am 8. November 2006 statt. Es gab insgesamt 24 Sitzungen, 17 Beweisaufnahmen fanden durch die Vernehmung von 49 Zeugen statt – allein diese dauerten rund 75 Stunden.
45 Aktenordner mit rund 23.000 Seiten als GEHEIM eingestuftem Beweismaterial waren durch zu arbeiten, ebenso ca. 20.400 Blatt in 40 Aktenordnern nicht eingestuften Materials.
Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses lässt sich in zwei Bereiche teilen:
Zum einen ging es um die Vorwürfe der Misshandlung Murat Kurnaz’ durch deutsche KSK-Soldaten im Gefangenenlager von Kandahar, Afghanistan, Anfang 2002.
Zum anderen sollte der Einsatz des KSK dort, in Afghanistan, im Allgemeinen untersucht werden – welche Einsätze gab es, wie liefen diese ab?
Den Ergebnissen hinsichtlich des Untersuchungsauftrags ist zunächst Folgendes vorweg zu stellen: Aufgabe eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist es, eine politische Bewertung eines Vorganges vorzunehmen. Es geht nicht um eine strafrechtliche Verurteilung oder einen Freispruch. Dies ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die hinsichtlich der Misshandlungsvorwürfe durch deutsche Soldaten das Verfahren im Mai dieses Jahres endgültig eingestellt hat, da ausreichender Beweis nicht geführt werden konnte.
Unsere Aufgabe als Untersuchungsausschuss bestand in der politischen Bewertung der Geschehnisse.
Zum ersten Teil des Untersuchungsauftrags hat die Mehrheit des Ausschusses festgestellt, dass weder der Nachweis für den von Murat Kurnaz behaupteten Tathergang noch der Nachweis für das Gegenteil erbracht wurde. Der überwiegende Teil der Beweismittel lässt keinen Schluss auf eine Misshandlung zu.
Bezüglich des zweiten Teils des Untersuchungsauftrags ist die Mehrheit des Ausschusses der Ansicht, dass die Entsendung des KSK nach Afghanistan nach der Anforderung durch die amerikanischen Verbündeten die politisch richtige Entscheidung war. Der Einsatz dieses Truppenteils war erfolgreich und völkerrechtskonform.
Es ist weiterhin zu regeln, wie das Spannungsfeld zwischen dem Geheimhaltungsinteresse in Bezug auf das KSK auf der einen Seite und dem Informationsanspruch des Parlaments auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht werden kann.
Unumstritten ist und war während des gesamten Untersuchungszeitraums, dass es zwei unantastbare Kernbereiche gibt, für die ein absolutes Geheimhaltungsbedürfnis gilt. Das sind zum einen der Identitätsschutz der KSK-Angehörigen und zum anderen laufende militärische Operationen des KSK, die nicht gefährdet werden dürfen.
Der Status der Bundeswehr als Parlamentsarmee führt auf der einen Seite zu einem Informationsanspruch des Deutschen Bundestages, andererseits auch zu einer Verantwortung desselben gegenüber den Streitkräften.
Mit dieser Problematik eng verknüpft ist die Frage, wie der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages inhaltlich und in seiner Regelmäßigkeit verbessert werden kann. Die Ausschussmehrheit erkennt an, dass die Information des Deutschen Bundestages über die Einsätze des Kommando Spezialkräfte durch die Bundesregierung in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.
Auch insofern war der Untersuchungsausschuss lehrreich und nutzbringend.
Ich möchte mich abschließend bei allen Beteiligten und allen Fraktionen für eine durchweg konstruktive und am gemeinsamen Ergebnis orientierte Zusammenarbeit bedanken, die mit dem heutigen Beschluss eines öffentlichen Abschlussberichts ihr erfolgreiches Ende gefunden hat.“
Herausgeber
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