Fricke: Regierung hat Finanzmarktsektor nicht im Griff
Interview für "DAS PARLAMENT"
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 22. September 2008)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Nach Ansicht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Otto Fricke (FDP), hat die Bundesregierung den Finanzmarktsektor nicht im Griff. Dies werde bei den aktuellen Vorgängen bei der KfW deutlich, bei der „einfach mal 300 Millionen Euro an eine bankrotte amerikanische Bank“ überwiesen worden seien. Ob die FDP einen Untersuchungsausschuss zur IKB beantragen werde, hängt laut Fricke davon ab, wie der Rechnungshofbericht ausfällt. „Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition, und in einer Demokratie sollte man zu scharfen Schwertern erst dann greifen, wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht“, so der Ausschussvorsitzende. Er fürchte aber, dass es dazu kommen werde. Außerdem zeigte sich Fricke sicher, dass es der Regierung nicht gelingen werde, 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Regierung treffe keinerlei Vorsorge für schlechte Zeiten. „Die haben immer noch die Bermuda-Shorts an, obwohl sie inzwischen die Regenjacke bräuchten“.
Interview im Wortlaut:
Herr Fricke, der Etatentwurf der Bundesregierung für 2009, der in den kommenden Wochen im Haushaltsausschuss beraten wird, ist der letzte Etat dieser Legislaturperiode und Ihr vierter Etat als Ausschussvorsitzender. Wie viele Etats wollen Sie noch machen?
Als Ausschussvorsitzender hoffe ich, dass dies mein letzter Etat sein wird. Denn in der nächsten Legislaturperiode wird die FDP dann nicht mehr die größte Oppositionsfraktion, sondern Regierungsfraktion sein, der der Ausschussvorsitz dann natürlich nicht mehr zusteht. Damit bin ich wohl so ziemlich der einzige hier im Hause, der bewusst darauf hinarbeitet, seinen Posten wieder zu verlieren.
Dann ist jetzt eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Sie sind als relativ junger Abgeordneter in dieses Amt gekommen. Was hat Sie am meisten überrascht in dieser Funktion?
Ich war mit Abstand der jüngste Haushaltsausschussvorsitzende. Ich bin mit 40 Ausschussvorsitzender geworden, davor war der jüngste gerade Anfang 50. Am meisten hat es mich überrascht, dass ich mit der Rolle relativ gut klargekommen bin. Denn von Hause aus bin ich Rechtsanwalt und kämpfe für die andere Seite. Auch hat mich überrascht, wie schnell doch in der Politik akzeptiert wird, wenn jemand die Rolle annimmt.
Hat ein Vorsitzender des Haushaltsausschusses Macht?
Ja, er hat Macht. Es ist sicherlich nicht die Macht, die die Regierungsabgeordneten haben oder vor allem deren Sprecher. Aber der Vorsitzende hat die Macht eines guten Informationsstandes und der Informationsverteilung. Es kommen viele und sagen: Wir wollen in einer Haushaltssache etwas bewegen, wie kommen wir da am besten weiter?
Sie haben eben die Sprecher der Fraktionen angesprochen. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihnen?
Wir müssen oft bis spät in die Nacht zusammenarbeiten und haben deshalb ein sehr pragmatisches und auch freundschaftliches Verhältnis, was dazu führt, dass man auch mal über private Dinge redet.
Lassen Sie uns zum Haushalt 2009 kommen. Erwarten Sie harte Beratungen?
Wir werden sicherlich im Arbeitsmarktbereich harte Beratungen haben. Da geht es auch nicht um Kleckerbeträge. Weiter wird es hart werden beim Kindergeld und auch bei der Frage der Entwicklungshilfe für Schwellenländer wird es noch härtere Diskussionen geben.
Finanzminister Steinbrück will 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wird das gelingen?
Dieser Regierung wird es mit Sicherheit nicht gelingen. Sie hat bisher in Schönwetterzeiten die Neuverschuldung zwar etwas abgebaut, aber bei weitem nicht so erheblich wie dies möglich gewesen wäre. Die Verschuldung steigt damit weiter. Die Regierung trifft keinerlei Vorsorge für schlechte Zeiten. Die haben immer noch die Bermuda-Shorts an, obwohl sie inzwischen die Regenjacke bräuchten.
Die Haushaltskonsolidierung wird mindestens von zwei Seiten in die Zange genommen. Da ist einerseits die Begehrlichkeit der Kabinettskollegen. War der Finanzminister hart genug?
Das Ergebnis will zwar nicht dafür sprechen, er war aber immerhin härter als mancher seiner Vorgänger. Die so genannten blauen Briefe haben zum Teil ihre Wirkung erzeugt. Aber leider nur zum Teil. Deshalb wäre es besser, wenn man gerade jetzt neue blaue Briefe verschicken würde nach dem Motto: Die Wirtschaft läuft schlechter, die Versetzung der Bundesregierung ist gefährdet, haltet euch zurück.
Die Regierung will Schwerpunkte setzen in den Bereichen Bildung, Kinderbetreuung, Forschung und Klimaschutz. Halten Sie das für richtig?
Wenn sie allein diese Schwerpunkte gesetzt hätte, wäre das richtig. Sie hat aber noch viel mehr getan und in fast allen Bereichen mehr Geld ausgegeben – insgesamt 5,2 Milliarden Euro und damit 1,8 %.
Die Union hat ja jetzt angekündigt, den Betrag zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Was halten Sie davon?
Es ist im Endeffekt ein typisches Werbebonbon. Sie fährt ein sehr riskantes Spiel. Die Senkung ist zwar rechnerisch drin und wird deswegen auch von der FDP unterstützt. Aber es ist hochgefährlich. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, ist, dass wir in einer schlechten Phase dann auch noch die Arbeitslosenbeiträge erhöhen müssen. Das würde den Standort gefährden und vor allen Dingen Arbeitsplätze. Im Übrigen wird ein solcher Senkungseffekt aufgrund der „Gesundheitsreform“ durch steigende Krankenversicherungsbeiträge aufgezehrt.
Die andere Seite ist die drohende Wirtschaftskrise. Hat Peer Steinbrück die Gefahren realistisch eingeschätzt?
Leider nein. Auch ich lehne diese Pseudodiskussion über eine Rezession ab. Es macht die Leute unnötig nervös und verhindert vielleicht im nächsten Moment, dass ein Mittelständler sagt, ich stelle noch jemanden ein. Bisher ist Steinbrück jedoch nicht zu dem Schluss gekommen, dass wegen der schlechteren Wirtschaftslage die Annahmen heruntergesetzt werden müssten. Er geht weiterhin im Haushalt von den Schönwetterbedingungen im Juli aus, obwohl wir inzwischen September haben und die Temperatur viel kälter geworden ist.
Jetzt haben wir auch noch eine internationale Finanzkrise. Hat er da richtig gehandelt?
Steinbrück ist in seinen Aussagen immer sehr vorsichtig gewesen. Es ist auch seine Aufgabe, die Dinge im ruhigen Fahrwasser zu halten. Aber die Finanzkrise ist schon längst bei uns angekommen. Ich erinnere an die SachsenLB, die WestLB und vor allem an die IKB. Diese Krise wird einerseits zu entsprechenden Mindereinnahmen im Haushalt führen, andererseits haben wir zum Beispiel durch die IKB höhere Belastungen. Deswegen müssen wir an bestimmten Stellen die Ausgaben noch kürzen. Davor hat er Angst.
Die Regierung hat die IKB mit rund 10 Milliarden Euro gestützt. War das richtig?
Das ist genau der Grund, warum wir prüfen, ob wir einen Untersuchungsausschuss machen. Heute kann man sagen, wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die IKB möglicherweise vor die Wand laufen zu lassen, um zu sehen, wer dann was zur Rettung tut. Zur damaligen Zeit war das Risiko jedoch sehr groß, dass es einen Flächenbrand geben könnte. Die andere Frage ist, warum es überhaupt so weit kommen konnte, dass der Bund so stark daran beteiligt war. Diese Frage muss sich die rot-grüne Bundesregierung von 2001 stellen lassen.
Wird die FDP einen Untersuchungsausschuss beantragen?
Es wird ganz wesentlich davon abhängen, wie der Rechnungshofbericht ausfällt. Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition, und in einer Demokratie sollte man zu scharfen Schwertern erst dann greifen, wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht. Ich fürchte aber immer mehr, dass es zu einem Untersuchungsausschuss kommen wird. Denn das, was auch aktuell bei der KfW passiert, die einfach mal 300 Millionen Euro an eine bankrotte amerikanische Bank überweist, zeigt, dass die Regierung den Finanzmarktsektor nicht im Griff hat. Ich bin sehr gespannt, was jetzt bei der KfW noch kommt.
Vor acht Jahren hat die Bundesregierung die Bundesdruckerei verkauft. Vor kurzem bekam sie die Druckerei wieder zurück. Was lehrt uns das?
Da zeigt sich eben, dass eine Privatisierung kein schlichter platter Verkauf sein darf frei nach dem Motto: Hauptsache das Ding ist weg und es gibt ein bisschen Cash. Man muss vielmehr den richtigen Zeitpunkt abwarten und den richtigen Investor haben. Hier war weder der Zeitpunkt richtig noch der Käufer, denn dieser musste sich den Kaufpreis mehr oder weniger über den Bund finanzieren lassen.
Das Interview führte Michael Klein.
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