4. Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers
Geschichte
Mit dem Ziel, die Benachteiligung kleinerer Parteien nach d´Hondt zu vermeiden, wurde von dem Physiker Hans Schepers eine Modifikation entwickelt.2)
Schepers, seinerzeit als Leiter der Gruppe Datenverarbeitung Bediensteter der Verwaltung des Deutschen Bundestages, schlug sein Verfahren dem Bundestag vor, der es seit der 8. Wahlperiode zur Ermittlung der Zugriffsreihenfolge für die Ausschussvorsitze und seit der 9. Wahlperiode auch für die Besetzung der Ausschüsse einsetzt.
Schepers entwickelte seine Vorstellungen in der Formulierung der Rangmaßzahlen. Es zeigte sich, dass sein Vorschlag zu identischen Ergebnissen führt wie das im Jahr 1912 von dem Franzosen A. Sainte Laguë vorgeschlagene Verfahren, der sein Modell in Termini der Höchstzahlendarstellung formulierte. Dass beide Betrachtungsweisen im Ergebnis gleichwertig sind, wurde bereits unter Punkt 3 ausgeführt.
Verfahrensidee
Das Verfahren lässt sich im Prinzip auf denselben Grundgedanken wie dasjenige nach d´Hondt zurückführen. Bei d´Hondt werden Rangmaßzahlen so bestimmt, dass sie bei Größen von fiktiven Gremien liegen, wo die betrachtete Partei einen vollen Anspruch auf 1, 2, 3, ... Sitze (Anteilseinheiten) hat. Es lässt sich zeigen, dass dadurch kleinere Parteien unverhältnismäßig lange auf den ersten und die weiteren Zugriffe "warten" müssen.
Um auch den kleineren Parteien bald zu ihrem ersten Zugriff zu verhelfen, verringert man die Anspruchsvoraussetzungen: Die Zugriffe erfolgen jeweils bereits dann, wenn die Voraussetzungen für den ersten bzw. den jeweils nächsten Zugriff erst zur Hälfte erfüllt sind (die andere Hälfte der Voraussetzung für den Zugriff wird "erlassen").
Formel für die Rangmaßzahlen:
Das drückt sich in der Formel für die Rangmaßzahlen (siehe Abschnitt 3) durch folgende Veränderung aus:
Wie oben bereits ausgeführt, ist dies der gedankliche Weg, der dem Vorschlag von Schepers zugrunde liegt.
Die Anwendung auf die Ausgangswerte des Beispiels 1 zeigt das folgende Beispiel 7.
Beispiel 7:
(mit den Ausgangswerten von Beispiel 1)
|
Wie schon bei d´Hondt (Abschnitt 3) werden auch bei Sainte Laguë/Schepers anschließend die Ränge zu einer Verteilung der Anteilseinheiten ausgewertet.
noch Beispiel 7:
Auswertung der Rangmaßzahlen
|
Formel für die Höchstzahlen:
Wie bei dem Verfahren nach d´Hondt (siehe Abschnitt 3) beschrieben, ergeben sich auch bei dem Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers die Höchstzahlen durch die Umkehrung der Rangmaßzahlen.
Der Änderung in der Formel für die Rangmaßzahlen entspricht auch eine Änderung in der Formel für die Höchstzahlen, weshalb auch hier der laufende Index i jeweils um 0,5 verringert wird:
Aus praktischen Gründen wird die gesamte Formel durch 2 dividiert; da es bei den Höchstzahlen allein auf die Reihenfolge ankommt, ist eine solche Veränderung der Formel unerheblich:
Dabei wurde der Nenner 2 i - 1 mit dem Laufindex i über alle positiven ganzen Zahlen ersetzt durch i, welches dann nur über die ungeraden Zahlen läuft.
Hier werden die Werte Höchstzahlen genannt.
Beziehung zwischen Rangmaßzahlen und Höchstzahlen nach Sainte Laguë/Schepers
Aus obigen Formeln ergeben sich die Beziehungen:
Während die Rangmaßzahlen aufsteigend geordnet werden müssen, um die Reihenfolge der Zugriffe der verschiedenen Parteien vorzugeben, müssen auch bei diesem Verfahren entsprechend der Umkehrung des Bruches die Höchstzahlen absteigend geordnet werden.
Für dieses Verfahren hat sich der Name Rangmaßzahlverfahren nach Sainte Laguë/Schepers eingebürgert.
Im folgenden wird noch einmal in Worten beschrieben, wie die Höchstzahlen nach Sainte Laguë/Schepers berechnet werden können.
Algorithmus
(nur für die Höchstzahlen ausgeführt)
Nach der obenstehenden Formel werden die Höchstzahlen beim Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers also berechnet, indem man die Anteile der Parteien in der Ausgangsmenge durch die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, ... teilt.
Die so entstehenden Höchstzahlen werden absteigend geordnet und bestimmen, da sie ja jeweils einer bestimmten Partei zugeordnet sind, die Reihenfolge, in der die Parteien ihren Anteil am abgeleiteten Gremium jeweils um 1 erhöhen dürfen, in der sie also "zugreifen" dürfen.
Die Zugriffe der einzelnen Parteien entsprechend ihren Höchstzahlen werden solange fortgeführt, bis die vorgegebene Soll-Stärke des abzuleitenden Gremiums erreicht ist.
Beispiel 8: (mit den
Ausgangswerten von Beispiel 1)
|
noch Beispiel 8:
Auswertung der Höchstzahlen
|
Folgendes soll noch einmal besonders herausgestellt werden:
Der Übergang von der Division durch alle natürlichen Zahlen bei d´Hondt zur Division nur durch die ungeraden Zahlen bei Sainte Laguë/Schepers ist Ausdruck dafür, dass die Voraussetzungen für die Zugriffe der Parteien reduziert werden, wodurch die Zurücksetzung der kleineren Parteien beim Verfahren nach d´Hondt beim Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers aufgehoben wird.
Vorteile:
Das Verfahren bietet zunächst einmal denselben Vorteil wie das Verfahren nach d´Hondt, nämlich den eines einfachen Algorithmus. Ebenso wie dieses ist es auch zur Festlegung einer Reihenfolge brauchbar - allerdings mit ähnlichen Einschränkungen wie das Verfahren nach d´Hondt.
Ein möglicher Vorteil gegenüber dem Verfahren nach d´Hondt ist die Aufhebung der Benachteiligung kleinerer Parteien.*)
Dieser Sachverhalt zeigt sich auch in unserem Beispiel 9 einer Gegenüberstellung der Ergebnisse nach d´Hondt und nach Sainte Laguë/Schepers. Die Anteile der Parteien A, B und C sind hier berechnet für Gremien bis zu einer Gesamtstärke von (willkürlich) 20.
Beispiel 9:
(mit den Ausgangswerten von Beispiel 1)
|
Während die kleinere Partei C ihren ersten Sitz nach d´Hondt erst in einem Gremium der Gesamtstärke 9 erhält, bekommt sie diesen nach Sainte Laguë/Schepers bereits bei einem Gremium der Stärke 6, den zweiten Sitz statt bei 19/20 (Mehrdeutigkeit !) schon bei 16 usw.
Nachteile:
Auch bei diesem Verfahren können Mehrdeutigkeiten auftreten wie bei dem Verfahren nach d´Hondt (dazu wird auf Beispiel 6 verwiesen). Jedoch sind, wenn man die Gesamtheit vieler unterschiedlicher Berechnungsaufgaben betrachtet, solche Vorkommnisse bei Sainte Laguë/Schepers seltener.