Kommission zur Modernisierung der
Bund-Länder-Finanzbeziehungen
Zusammenfassung der Beschlüsse
Folgende Reformen schägt die Kommission vor:
Neue gemeinsame Schuldenregel für Bund und Länder (Artikel 109 Grundgesetz)
- Grundsätzlich sind die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. (Diese Vorgabe orientiert sich am Mittelfristziel des strukturell ausgeglichenen Haushalts aus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt.)
- Ausnahmen des Kreditaufnahmeverbots sind eingeschränkt
zugelassen:
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bei der Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern zur symmetrischen Berücksichtigung einer von der Normallage abweichenden Konjunkturentwicklung (konjunkturelle Komponente), wodurch (antizyklisch) Kreditaufnahmen im Abschwung, die im Aufschwung zurückzuführen sind, ermöglicht werden.
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für Bund und Länder in Fällen von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen mit gleichzeitiger Festlegung entsprechender Tilgungsregelungen.
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In Konkretisierung der grundsätzlichen Vorgabe des mittelfristig ausgeglichenen Haushaltes ist es für den Haushalt des Bundes gemäß Artikel 109 Absatz 3 Satz 4 Grundgesetz noch zulässig, Einnahmen aus Krediten bis zur Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jährlich in Anspruch zu nehmen (strukturelle Komponente).
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Näheres für den Bund regeln ein neugefasster Artikel 115 Grundgesetz und ein Ausführungsgesetz.
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Für die Länder ist dagegen eine strukturelle Komponente nicht vorgesehen, das heißt die grundsätzliche Vorgabe ist nur dann erfüllt, wenn im Haushalt keine Einnahmen aus Krediten eingestellt sind.
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Konkretisierung für den Bund (Artikel 115 Grundgesetz)
Weicht die tatsächliche von der zulässigen Kreditaufnahme ab, sind Abweichungen auf einem Kontrollkonto festzuhalten. Der negative Saldo des Kontrollkontos soll 1,5 % des BIP nicht überschreiten, ab einer Überschreitung von 1 % des BIP ist der Saldo des Kontrollkontos konjunkturgerecht zurückzuführen.
Für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen ist ein Beschluss der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich.
Übergangsregelung (Artikel 143d Absatz 1 Grundgesetz)
Eine Übergangsregelung in Artikel 143d Abs. 1 Grundgesetz sieht die erstmalige Anwendung der Neuregelungen in Artikel 109 und 115 Grundgesetz für das Haushaltsjahr 2011 vor, die Einhaltung der Vorgabe des ausgeglichenen Haushalts ist für den Bund ab dem Jahr 2016 zwingend vorgesehen, für die Länder ab dem Jahr 2020.
Konsolidierungshilfen (Artikel 143d Absatz 2 und 3 Grundgesetz)
Als Hilfe zur Einhaltung der o.g. Schuldenregeln erhalten fünf Länder für den Zeitraum 2011 bis 2019 eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 800 Mio Euro jährlich, insgesamt also 7,2 Mrd. € (Bremen 300 Mio. €, Saarland 260 Mio. €, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein jeweils 80 Mio. € jährlich). Die Finanzierung dieser Hilfen tragen Bund und Länder hälftig. Voraussetzung für die Gewährung der Hilfen ist die Einhaltung eines Konsolidierungspfades, der die betreffenden Länder in die Lage versetzt, ihre Haushalte bis spätestens 2020 auszugleichen und anschließend die neue Schuldenregelung einzuhalten. Das Nähere hierzu wird in einem Ausführungsgesetz zu Artikel 143d Grundgesetz geregelt und soll durch Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den einzelnen Empfängerländern konkret vereinbart werden.
Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Artikel 109a Grundgesetz)
Zusätzlich zur neuen Schuldenregel wird zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen die Einführung eines sog. kooperativen Frühwarnsystems vorgeschlagen. Ein neu zu gründender Stabilitätsrat, dem die Finanzminister von Bund und Ländern sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie angehören, überwacht die Haushaltsführung von Bund und Ländern, insbesondere auch die Konsolidierungsfortschritte der o.g. fünf Empfängerländer. Dazu wird jährlich die Finanzlage von Bund und Ländern dargestellt und geprüft. Im Falle von Haushaltsnotlagen soll der Stabilitätsrat Sanierungsprogramme vereinbaren. Die Beschlüsse des Stabilitätsrates werden veröffentlicht.
Steuerverwaltung
Um in der Steuerverwaltung Effizienzverbesserungen zu erreichen,
- werden die Mitwirkungsrechte des Bundeszentralamts für Steuern an Außenprüfungen gestärkt und die Möglichkeit seines Datenzugriffs verbessert;
- kann das BMF mit den obersten Finanzbehörden der Länder Vollzugsziele vereinbaren;
- wird das Steuerabzugsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern zentralisiert.
Versicherungsteuer/Feuerschutzsteuer
Derzeit hat der Bund die Gesetzgebungs- sowie Ertragskompetenz für die Versicherungsteuer und die Gesetzgebungskompetenz für die Feuerschutzsteuer. Die Kommission schlägt eine Neuregelung vor, mit der die derzeit bei den Ländern liegende Verwaltungskompetenz für beide Steuerarten aus Effizienzgründen in die Zuständigkeit des Bundes überführt wird, wobei die Ertragskompetenz für die Feuerschutzsteuer bei den Ländern verbleibt. Zur Sicherung des Ertrages der Feuerschutzsteuer werden detaillierte Regelungen zur Festlegung und Kontrolle der Bemessungsgrundlage getroffen.
Öffentliche IT (Artikel 91c Grundgesetz)
Um eine verbesserte Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Informationstechnik mit dem Ziel einer sicheren, effektiven und kostengünstigen IT-Infrastruktur in der öffentlichen Verwaltung zu erreichen, werden Änderungen im Grundgesetz sowie einfachgesetzliche und staatsvertragliche Rahmenvorgaben vorgeschlagen.
Ein neuer Artikel 91c Grundgesetz soll die rechtliche Grundlage schaffen für ein Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme. Der Bund erhält dabei die Kompetenz, zur Verbindung der informationstechnischen Netze des Bundes und der Länder ein Verbindungsnetz zu errichten und zu betreiben, sowie die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die näheren Regelungen.
Näheres über die Grundlagen der Zusammenarbeit und vor allem zur Schaffung eines IT-Planungsrates als Koordinierungs- und Steuerungsgremium, der auch über IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards beschließt, wird durch eine staatsvertragliche Vereinbarung festgelegt. In dem Gesetzesvorschlag über die Verbindung der informationstechnischen Netze des Bundes und der Länder werden u.a. Regelungen zur Gremienorganisation, zum Datenaustausch, zur Vergabe und zur Kostentragung getroffen.
Leistungsvergleiche (Artikel 91d Grundgesetz)
Die Kommission sieht Leistungsvergleiche (Benchmarking) in der öffentlichen Verwaltung als hilfreiche Instrumente zur Verwaltungsmodernisierung an. Sie schlägt vor, mit einem neuen Artikel 91d Grundgesetz eine verfassungsrechtliche Bestimmung für ein freiwilliges Zusammenwirken von Bund und Ländern bei Leistungsvergleichen in der Verwaltung zu schaffen und dadurch die Bereitschaft zur Durchführung solcher Vergleiche in Deutschland zu fördern.
Krebsregister
Die Kommission hat sich darauf verständigt, den auf Bitten des Bundesministeriums für Gesundheit in die Föderalismuskommission eingebrachten Entwurf für ein Bundeskrebsregisterdatengesetz (BKRG) zu unterstützen und seine Aufnahme in das Gesetzgebungsverfahren zur Föderalismusreform II vorzuschlagen. Auf seiner Grundlage soll ein Nationales Krebsregister eingerichtet werden, das Daten zum Krebsgeschehen in ganz Deutschland bereithalten und regionale sowie länderübergreifende Untersuchungen ermöglichen soll. Zwischen Bund und Ländern noch offene Einzelfragen sind im Gesetzgebungsverfahren zu klären.
Abstufung nicht mehr fernverkehrsrelevanter Bundesfernstraßen
Die Kommission schlägt dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat vor, eine Entschließung zur Abstufung nicht mehr fernverkehrsrelevanter Bundesfernstraßen zu fassen. Bund und Länder sollen sich nach Abschluss der Arbeiten in der Föderalismuskommission II zeitnah um eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich der einzelnen Strecken, deren Abstufungszeitpunkt und der sonstigen Abstufungs- und Kompensationsmodalitäten bemühen. Ein weiterer Verfahrensschritt hierzu wird festgelegt.
Öffnung der Finanzhilfen des Bundes (Artikel 104b Grundgesetz)
Der geltende Artikel 104b Grundgesetz beschränkt die Möglichkeit zur Gewährung von Finanzhilfen des Bundes auf Bereiche, in denen dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zustehen. Vor dem Hintergrund der Neuregelungen in Artikel 109 und Artikel 115 Grundgesetz schlägt die Kommission vor, diese Beschränkung für den Sonderfall einer Naturkatastrophe oder einer außergewöhnlichen Notsituation aufzuheben. Damit soll sichergestellt werden, dass die zur Bewältigung solcher Notsituationen - wie bspw. der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise - erforderlichen Programme zur Belebung der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand in allen Investitionsbereichen mit Unterstützung des Bundes durchgeführt werden können.