Jeder spürt die explodierenden Energiepreise: die Familie an der Strom- und Heizrechnung, der Autofahrer an der Tankstelle, die Unternehmer an den Herstellungskosten. Immer deutlicher wird, wie stark unser Wohlstand und unsere Lebensweise von ausreichender und bezahlbarer Energie abhängen. Wie sehen die politischen Konzepte zur Lösung der Energiefrage aus? Im Streitpunkt von BLICKPUNKT BUNDESTAG diskutieren darüber Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Trianel European Energy Trading GmbH, und Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Das Statistische Bundesamt hat es gerade schwarz auf weiß
dokumentiert: Wer in den letzten Jahren keine Anstrengungen
unternommen hat, den Verbrauch bei Strom, Wärme und Sprit zu
senken, muss heute rund 21 Prozent mehr für Energie zahlen als
noch vor zwei Jahren. Im Vergleich zum Jahr 2002 liegt die
Steigerungsrate inflationsbereinigt sogar bei 55 Prozent. Und ein
Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Die großen
Versorger haben neue Erhöhungen ihrer Gastarife in
zweistelligen Prozentmargen angekündigt. Sie begründen
dies mit den explodierenden Rohölpreisen, an die der Gaspreis
in Deutschland gekoppelt ist.
In der Politik schrillen längst die Alarmglocken. Über
alle Parteigrenzen hinweg sind sich die Fraktionen im Bundestag
einig, dass die Energiefrage zu einer wichtigen Existenzfrage
unserer Gesellschaft geworden ist. Nicht nur Umwelt- und
Wirtschaftspolitiker, sondern auch Sozialpolitiker zerbrechen sich
die Köpfe nach einem stimmigen und ganzheitlichen
Energiekonzept. Keine leichte Aufgabe, gilt es doch,
Wettbewerbsfähigkeit, Umweltverträglichkeit,
Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit des Energiemarktes unter
einen Hut zu bringen.
Alle Parteien sind sich auch darin einig, dass die erneuerbaren
Energien aus Wind, Wasser, Biomasse, Sonne und Erdwärme
kräftig forciert werden müssen. Nicht nur aus
Gründen des Klima- und Umweltschutzes, sondern auch, weil
Öl, Gas und Kohle als fossile Energien nicht unbegrenzt zur
Verfügung stehen werden. Über Potenzial, Kosten und
Realisierungszeiträume von regenerativer Energie wird
allerdings heftig gestritten.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil von
erneuerbarer Energie bei der Stromversorgung von heute rund 14
Prozent (2007) bis zum Jahr 2020 auf 25 bis 30 Prozent zu steigern.
Die Unionsparteien folgern daraus, dass die restlichen 70 Prozent
nur durch längere Laufzeiten von Atomkraftwerken und den Bau
von neuen Kohlekraftwerken langfristig gesichert werden
können. Die SPD will dagegen beim verabredeten Ausstieg aus
dem Atomstrom bleiben und setzt auf einen Energiemix aus modernen
Kohlekraftwerken und erneuerbarer Energie. Das Angebot der
Atomindustrie, bei längeren Laufzeiten ihrer Atommeiler
Sozialtarife anzubieten und regenerative Energie massiv zu
fördern, hält sie für eine wenig seriöse
Lockofferte.
Am radikalsten denken die Grünen. Sie setzen
uneingeschränkt auf erneuerbare Energien, sagen Nein zum
Atomstrom und wollen Kohlekraftwerke nur noch für wenige
Jahrzehnte des Übergangs dulden. Sie erinnern die
Regierungsparteien an das Versprechen beim internationalen
Klimaschutzabkommen, die Emissionen bis 2020 unter das Niveau von
1990 zu reduzieren. Kohlekraftwerke mit ihrem
CO2-Ausstoß würden diesem Ziel
entgegenstehen.
Doch wie realistisch ist das grüne Ziel, den Anteil von
Ökostrom in den nächsten zwölf Jahren auf 40 Prozent
zu steigern? Wie sicher ist unsere Energieversorgung, wenn alle
Atommeiler vom Netz sind und an Kohlekraftwerke immer höhere
Ansprüche gestellt werden? Und vor allem: Ist Ökoenergie
für den Durchschnittsverdiener bezahlbar?
Erschienen am 24. September 2008
Energieprogramm
Informationen zum integrierten Energie- und Klimaprogramm der
Bundesregierung finden Sie unter:
www.bundesregierung.de