Bundeswehr
Ein Gesetz hilft Soldaten, die bei Auslandseinsätzen verletzt wurden
Der Tenor in der Bundeswehr ist einhellig: "Das war überfällig!" Gemeint ist das am 8. November vom Bundestag verabschiedete "Gesetz zur Regelung der Weiterverwendung nach Einsatzunfällen" - kurz EinsatzWVG genannt. Es schafft einen Rechtsanspruch auf unbefristete Weiterbeschäftigung von Soldaten, die bei Auslandseinsätzen schwer verwundet werden und eine Minderung von mehr als 50 Prozent erleiden. Zudem gilt es rückwirkend für alle, die seit dem 1. Dezember 2002 Einsatzunfälle mit solch schwerer Schädigung erlitten haben und sich noch im aktiven Dienst befinden. Dabei gilt es nicht nur für Soldaten, sondern auch für Beamte und Angestellte des Bundes wie Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes oder ehrenamtlich im Ausland eingesetzte Angehörige des Technischen Hilfswerkes.
"Dieser Staat verlangt von seinen Soldaten, dass sie bereit sind, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen - auch unter Einsatz des Lebens und der Gesundheit. Das ist der entscheidende Grund, dass die Fürsorgepflicht auch in Fällen der Beeinträchtigung der Gesundheit gilt und sich nicht nur auf eine Versorgung beschränkt", begründet Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesvorhaben ( 16/6564 , 16/6650 ), das vom Bundestag in seltener Einmütigkeit beschlossen wurde. Endlich, sagen die Soldaten.
Etwa 70 Soldaten sollen in vergangenen Jahren bei Auslandseinsätzen so schwer verletzt worden sein, dass sie aufgrund ihrer Behinderungen aus dem Dienst ausscheiden mussten. Dabei standen gerade Soldaten auf Zeit oder freiwillig länger Wehrdienstleistende nicht selten vor dem beruflichen Aus. "Wir sind nicht mehr als Bittsteller auf den Arbeitsämtern", umschreiben Betroffene ihr bitteres Gefühl. Eine interne Weiterverwendung gab es bislang nur auf höchste Intervention hin wie die von Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) im Falle eines Stabsunteroffiziers, der ein Auge und ein Bein verlor.
Daher kämpft der Deutsche Bundeswehrverband seit Jahren schon dafür, dass mit einem schweren Einsatzunfall nicht das Ende des Berufslebens kommt und der "Auftraggeber" Staat sich zu den Opfern bekennt. 1999 war es, als ein Arzt im Kosovo-Einsatz mit seinem Schützenpanzer von einer Brücke stürzte, ums Leben kam - und ein Gezerre um die Anerkennung als "qualifizierter Dienstunfall" begann. Mit der Begründung "Das hätte auch in Deutschland passieren können", wurde der Familie die einmalige Unfallentschädigung bei Auslandseinsätzen verweigert. "Eine absurde Situation", nennt das rückblickend der Grünen-Wehrexperte Winfried Nachtwei.
Ein erster Schritt war das Einsatzversorgungsgesetz, das Ende 2004 vom Bundestag verabschiedet wurde. Erstmals ist darin der Begriff "Einsatzunfall" definiert. Dieser umfasst jede gesundheitliche Schädigung, die ein Soldat während des Einsatzes durch einen Dienstunfall oder die besonderen Verhältnisse im Einsatzgebiet erleidet. Verbunden damit waren klare Entschädigungsregelungen bei Tod oder Verletzung.
Hintergrund war ein zweites schweres Unglück - der Absturz eines Bundeswehr-Hubschraubers in Kabul im Dezember 2002, bei dem sieben Soldaten getötet wurden. Damit auch sie unter die verbesserten Hinterbliebenenregelungen fallen, wurde das Gesetz rückwirkend zum 1. Dezember 2002 in Kraft gesetzt. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler nannte es in der damaligen Bundestagsdebatte vom Juni 2004 "etwas schäbig, wenn die finanziellen Folgen dieses Absturzes nicht vernünftig aufgefangen würden".
Offen blieb bis jetzt eine Regelung zum "sozialen Umgang" mit Schwerverwundeten, die ihnen - wenn gewünscht - eine Zukunft in Uniform gestattet. Selbst für Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan war das lange Zögern nicht nachvollziehbar. "Der Unteroffizier, der meine weltweiten Reisen organisiert, kann das auch mit einem Bein", zitieren Soldaten mit Hochachtung ihren General. Heute scheint diese Ansicht politischer Konsens geworden zu sein, wenn Abgeordnete aller Fraktionen betonen, "die Soldaten haben Anspruch darauf, dass sich der Staat schützend vor sie stellt".
Der Bundeswehrverband nennt das Gesetz den "zweiten wichtigen Eckpfeiler" beim sozialen Umbau der Streitkräfte. Denn neben dem Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung wird ein Recht auf umfassende gesundheitliche Rehabilitierung sowie berufliche Qualifizierung festgeschrieben, die zudem durch eine so genannte Schutzzeit bis zu fünf Jahren abgesichert wird. In dieser Zeit dürfen die Betroffenen nicht gegen ihren Willen wegen Dienstunfähigkeit entlassen oder in den Ruhestand versetzt werden. Zudem ist in dieser Spanne auch eine Beförderung möglich, um berufliche und finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Ein Punkt ist sowohl den Soldaten als auch den Reservisten wichtig: Die mögliche Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Einsatzunfall. Dieses "Bluten der Seele", wie es Psychologen nennen, erscheint manchmal erst Jahre später als Krankheitsbild - und wird bisher als Einsatzunfall kaum anerkannt. Nun sollen auch PTBS-Erkrankte unter die Neuregelung fallen, selbst wenn die Diagnose erst nach dem Ende der Dienstzeit gestellt wird. Die faktische Rückwirkung des Gesetzes kann in diesen Fällen sogar zu einem Wiedereinstellungsanspruch führen. Mit diesen umfassenden Regelungen, so heißt es beim Bundeswehrverband, seien die Soldaten "nicht länger auf die Großzügigkeit des Dienstherren angewiesen".
Insofern kommt das nun beschlossene Einsatz-Weiterverwendungsgesetz einer kleinen Revolution gleich. Die CDU-Abgeordnete Monika Brüning bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: "Wir sind es den Betroffenen und ihren Angehörigen schuldig, ihren Einsatz für unser Land zu würdigen. Und wir sind mit dem Gesetz auch bei Versorgung in der sicherheitspolitischen Gegenwart angekommen."