Während die Koalitionspartner beim Postmindestlohn, dem Dauerstreitthema der vergangenen Wochen, leise auf einen Kompromiss zusteuern, stemmen sich die Konkurrenten der Deutschen Post AG weiterhin mit aller Kraft gegen den geplanten Mindestlohn für Briefzusteller. In einer öffentlichen Anhörung zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes ( 16/6735 ) am 5. November sprach der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Reinhard Göhner, in diesem Zusammenhang von einem "Missbrauch des Tarifvertragsrechts".
Göhner verwies darauf, dass unter den Tarifvertrag, den der von der Deutschen Post AG dominierte Arbeitgeberverband Postdienste und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ausgehandelt haben und der die Grundlage für die Aufnahme der Briefzusteller ins Entsendegesetz sein soll, nur rund 4.500 Beschäftigte fallen. "Hier sollen die Arbeitsbedingungen einer kleinen Minderheit einer großen Mehrheit aufgedrückt werden", schimpfte Göhner, bis vor wenigen Monaten Bundestagsabgeordneter der CDU. Einen ordnungspolitisch "dreisten Vorgang" sah Florian Gerster. Der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit ist seit Herbst Präsident des neu gegründeten Arbeitgeberverbandes der Neuen Brief- und Zustelldienste, in dem die Konkurrenten der Deutschen Post AG wie Pin Group und TNT zusammengeschlossen sind.
Gerster betonte, sein Verband sei bereit, über einen "realistischen Mindestlohn" für Briefdienstleister von im Schnitt 7,50 Euro zu verhandeln. "Mindestlohn ja, aber kein Monopolschutzlohn", sagte Gerster. Der vom Arbeitgeberverband Postdienste und von ver.di ausgehandelte Tarifvertrag, der Mindestlöhne von 9 Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen vorsehe, werde aber auf einen Schlag zehntausende Arbeitsplätze bei den Wettbewerbern der Post vernichten.
Dagegen warnte Wolfhard Bender, Präsident des Arbeitgeberverbands Postdienste, vor einem Verdrängungswettbewerb, käme der Mindestlohn über das Entsendegesetz nicht pünktlich zur Liberalisierung des Postmarktes Anfang 2008. Dies könne allein bei der Post AG den Verlust von 32.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Für bedenklich hält es Bender darüber hinaus, dass die Konkurrenten der Post AG einen staatlich subventionierten Wettbewerb wollten. Denn bei einem Stundenlohn von rund 6 Euro müsse der Staat die Löhne über Hartz-IV-Leistungen aufstocken. Auch der Berliner Betriebsrat der Post, Thomas Cosmar, zeigte sich überzeugt, dass die Post AG einem Wettbewerb im Briefdienstleistungssektor nur über die Lohnhöhe "nicht lange standhalten" könne.
Keine einheitliche Position fanden die geladenen Sachverständigen auch in der Frage, ob - wie vom Gesetzgeber gefordert - mindestens 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Bereich der Briefzustellung von dem Tarifvertrag erfasst sind. Aus Sicht der BDA fallen in den Geltungsbereich mindestens 389.000 Arbeitnehmer. Zu den 119.000 Beschäftigten im Bereich des Arbeitgeberverbandes Postdienste kämen mindestens 270.000 Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern hinzu. Allein von den 180.000 Zeitungszustellern trügen mindestens 90.000 zumindest gelegentlich Briefe aus. In vielen Verlagen sei der Anteil deutlich höher, so Göhner.
Dagegen beharrte Bender auf der Richtigkeit seiner Zahlenbasis. Bei den Mitgliedsunternehmen seines Verbandes seien insgesamt 173.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon zirka 54.000 Beamte. Bei den lizenzierten Wettbewerbern seien maximal 46.000 Arbeitnehmer beschäftigt, unter Berücksichtigung von so genannten Erfüllungsgehilfen höchstens 66.500 Beschäftigte. Damit fielen mehr als 72 Prozent unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags, so der Arbeitgeberverband Postdienste in seiner Stellungnahme. Das 50-prozentige Quorum sei von den von ihm repräsentierten Mitgliedsunternehmen "deutlich übererfüllt".
Der Streit um die Zahlenbasis beschäftigte die Abgeordneten auch in ihrer regulären Ausschusssitzung am 7. November. Das Bundesarbeitsministerium bekräftigte, dass es von insgesamt rund 190.000 Briefdienstleistern ausgehe. Die 119.000 bei Unternehmen im Arbeitgeberverband Postdienste Beschäftigten bedeuteten eine Tarifbindung von 63 Prozent der Briefdienstleister insgesamt. Unterstützt wurde diese Zählweise von der SPD-Fraktion, während die Unions-Fraktion diese noch nicht abschließend geklärt sieht. Es müsse abgewartet werden, was die Koalitionsspitzen bei ihrem Treffen am 12. November beschlössen.
Genau dies kritisierte die Opposition. Es verstieße gegen die Würde des Parlamentes, wenn der Ausschuss über eine leere Hülle zu beraten habe, so die drei kleinen Fraktionen unisono.