ALOIS rHIEL
Für Hessens Wirtschaftsminister ist mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt der beste Verbraucherschutz.
Herr Minister Rhiel, Sie haben mittlerweile den Ruf eines "Robin Hood der privaten Haushalte". Warum engagieren Sie sich bundespolitisch eigentlich so für die Verbraucher?
Meine Motivation geht zurück auf das Grundkonzept der Sozialen Marktwirtschaft. Ich bin ein leidenschaftlicher Ordnungspolitker. Natürlich muss der Staat der Wirtschaft die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen - auch mit Blick auf ihr Interesse an Gewinnmaximierung. Dies geht jedoch nur, wenn gleichzeitig ein Maximum an Verbraucherwohl und Gemeinwohl gesichert ist. Ich bringe es auf die Kurzformel: So viel Wettbewerb wie möglich und so wenig Staat wie nötig.
Mehr Wettbewerb fordern Sie auch auf der Schiene. Hat die Bahnreform überhaupt noch eine Chance?
Sie ist derzeit ausgebremst. Wir haben als Verkehrsminister der Länder ein deutliches Signal gesetzt. Es gibt einen einstimmigen Beschluss, dass wir eine Reform wollen, die für mehr und nicht für weniger Wettbewerb sorgt, das Schienennetz für viele Anbieter öffnet und es vor allem im Interesse der Kunden in der Breite erhält.
Die Länder haben insgesamt 32 Einzelvorschläge zum derzeitigen Gesetzentwurf formuliert. Wo liegen denn die Hauptknackpunkte?
Man kann das Schienenmonopol nicht einem privat geführten Unternehmen übertragen. Genau dies wäre aber der Fall, wenn, wie vorgesehen, die Deutsche Bahn AG das Schienennetz für 15 Jahre alleine bewirtschaften würde. Dies behindert nicht nur den Wettbewerb, sondern bedroht auch die Infrastruktur. Es ist doch klar, dass ein Großkonzern die Infrastruktur nur dort ausbaut, wo es ihm dient. Natürlich sind Streckenstilllegungen rein rechtlich gesehen nicht einfach so möglich. Deswegen wird der Konzern die Strategie fahren, vor allem unrentable Regionalstrecken durch mangelnde Investitionen wirtschaftlich stillzulegen. Die Folge wäre eine Ausdünnung des Angebots in der Fläche. Zur Mobilitätssicherung - und die ist unbedingt notwendig, wenn wir wirtschaftlich stark bleiben wollen - gehört aber ein besseres Angebot auf der Schiene, nicht ein schlechteres. Zudem wissen wir mittlerweile, dass der vorliegende Entwurf der Verfassung widerspricht. Laut Grundgesetz darf der Bund seinen Einfluss auf das Schienennetz nicht in dem geplanten Umfang aufgeben.
Um dem entgegen zu wirken, will die SPD die Teilprivatisierung der Bahn an die Ausgabe von Volksaktien koppeln. 51 Prozent soll der Bund als Stammaktien halten, der Rest als Vorzugsaktie ohne Stimmrecht ausgegeben werden.
Die Volksaktie soll weiße Salbe auf die grundsätzlich falsche Anlage dieses Gesetzentwurfs streichen. Sie löst aber nicht das grundsätzliche Problem. Auch wenn es eine Volksaktie gäbe, würde die Deutsche Bahn wirtschaftliches Eigentum über das Netz bekommen. Ob es nun eine Volksaktie ist, oder ob es andere Kapitaleigner sind, die Anteile erwerben: Die Deutsche Bahn hätte als marktbeherrschendes Unternehmen den Einfluss auf das Netz mit erheblichen Missbrauchspotenzialen. Das ist der Geburtsfehler dieses Konzeptes. Wenn 49 Prozent der Anteilseigner stimmrechtlos sind, stärkt dies nur die Macht des Managements.
Wie kann die Bahnreform denn auf das richtige Gleis gebracht werden?
Es gibt nur einen Weg: Es muss ein neuer Entwurf her, der auch unter Verfassungsgesichtspunkten schlüssig ist, der damit auch die Gefahr wegnimmt, dass der Bundespräsident erneut ein verfassungswidriges Gesetz stoppen muss. Kurieren an Symptomen hilft gerade aus ordnungspolitischer Sicht nichts. Die Weichenstellung muss komplett korrigiert werden.
Ein weiteres Thema, das die Wogen derzeit hochschlagen lässt, sind die Strompreise. E.ON hat eine fast zehnprozentige Erhöhung zum Jahresbeginn 2008 angekündigt. Sind die Preise noch in den Griff zu bekommen?
Vorab: Es macht wenig Sinn, wenn die politisch Verantwortlichen große Krokodilstränen über zu hohe Strompreise weinen. Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie haben politisch zu handeln. Was haben wir getan? Auf Initiative der hessischen Landesregierung ist das Energiewirtschaftsgesetz vor zwei Jahren so geändert worden, dass im Netzteil, das ja auch ein natürliches Monopol ist, eine Regulierung durch die Bundesnetzagentur erfolgt. Deswegen haben wir jetzt eine Senkung der Netzentgelte in Höhe von circa 15 Prozent und eine weitere Senkung ist in Aussicht. Das ist der eine Teil. Und nun müssen wir auf die zweite wichtige Stufe schauen - die Erzeugerebene. Wir haben es hier mit einem engen Oligopol zu tun, das mit mehr als 85 Prozent auf vier Erzeuger fällt. Diese Marktmacht führt dazu, dass es bei den Großhandelspreisen zu einer Überhöhung der Preise kommt.
Was wollen Sie gegen diese Marktmacht unternehmen?
Wenn wir zugunsten der Verbraucher und um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können die Strompreise senken wollen, müssen wir auf die Erzeugerebene schauen. Hier brauchen wir endlich Wettbewerber, damit Wettbewerbspreise entstehen. Darum wollen wir dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung ein scharfes Schwert hinzufügen, das, wenn alles andere nicht hilft, dem Kartellamt die Möglichkeit gibt, die Konzerne zu zerschlagen. Wer werden in diesen Tagen unser Konzept vorstellen, das mit Verfassungsexperten und Ökonomen abgestimmt ist, und es in den Bundesrat einbringen.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ist dabei, das Kartellgesetz zu reformieren. Ist dies auch ein gangbarer Weg?
Ich halte sein Konzept für einen Versuch wert, aber in der Endbewertung nicht für weitgehend genug. Weil das Kartellgesetz immer ex post greift. Es ist in diesem Fall eine zu schwache Waffe. Und es ist auch nicht kohärent mit dem Liberalisierungsweg, den ich befürworte. Denn Preise müssen frei vereinbart werden und das geht nicht, wenn die Unternehmen im Vorgriff dem Kartellamt ihre Preisgestaltung belegen müssen.
Die Europäische Union würde es lieber sehen, wenn Netz und Erzeugung getrennt würden. Was halten sie davon?
Ich halte diesen Weg nicht für sinnvoll und auch nicht für notwendig, da die Netze bereits scharf reguliert werden.
Gibt es Möglichkeiten, den Anteil der Stromkosten, die staatlich bedingt sind, zu beeinflussen?
Der Staat muss auch vor der eigenen Haustüre kehren. Denn die staatlichen Abgaben machen den größten Teil des Strompreises aus und führen unter anderem dazu, dass wir international sehr teuer sind. Ich will deswegen die CO2-Zertifikate nicht mehr länger verschenken, sondern versteigern. Denn die Konzerne haben die Verschmutzungszertifikate bislang im Preis mit einkalkuliert und dadurch unberechtigte Zusatzgewinne gemacht. Deswegen müssen sie diese Lizenz zur Produktion künftig kaufen. Die Einnahmen, die der Staat damit erzielt, müssen wiederum dem Verbraucher zu Gute kommen, indem die Stromsteuer halbiert wird.
Am 27.Januar wird in Hessen gewählt. Haben Sie in den vergangenen fünf Jahren ihre politischen Ziele erreicht?
Ich habe noch nicht alles erreicht. Denn eines der größten Ziele, wenn nicht sogar das größte - der Ausbau des Frankfurter Flughafens - steht noch bevor. Mit dem Planfeststellungsbeschluss für die neue Landebahn möchte ich aber auch diesen Punkt noch in dieser Legislaturperiode abarbeiten.
Ein besonders heikles Thema im Rahmen der Ausbaudiskussion ist das Nachtflugverbot. Wie wollen Sie hier eine gerichtsfeste Genehmigung erreichen?
Der Antrag der Fraport sieht eindeutig ein solches Nachtflugverbot vor und ich und meine Mitarbeiter müssen nun die verkehrswirtschaftlichen Interessen mit den berechtigten Erwartungen der Menschen, die Lärmschutz brauchen, abwägen. Ich will bald die Entscheidung verkünden.
Das Interview führte Jutta Witte