HIGHTECH-STRATEGIE
Nach dem ersten Jahr kritisiert die Opposition die Initiative. Fachleute loben sie.
Ein Nationales Zentrum für die Bekämpfung von Demenzerkrankungen, Tapeten, die leuchten und dadurch Energie sparen sollen, ein "Masterplan Umwelttechnik" - darum und um vieles andere geht es in der Hightech-Strategie, der ersten ressortübergreifenden Initiative für einen Forschungsstandort Deutschland, die vor einem Jahr vorgestellt wurde. Am 8. November debattierten die Fraktionen im Bundestag über den ersten Fortschrittsbericht der Bundesregierung ( 16/6900 ) und waren gewohnt unterschiedlicher Meinung. Fachleute zeigten sich im Gespräch mit dieser Zeitung allerdings positiv überrascht von der Initiative.
"Der Zug ist auf der Schiene, er gewinnt an Fahrt, unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass er weiterfährt", lautete die Bilanz von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU). "37 Prozent der Unternehmen sagen, Forschung und Entwicklung ist ihnen wichtiger als vor einem Jahr", hob sie die ersten Erfolge ihrer Arbeit hervor, die auch durch die gute Konjunktur zustande gekommen seien. Auf einen Euro staatlicher Förderung seien fünf Euro der Unternehmen gekommen. Das sei "ein sehr guter Schnitt".
Trotz der guten Anfänge müsse noch ein Konzept gegen Fachkräftemangel entwickelt werden. Schavan sprach sich erneut dafür aus, neben einer geregelten Zuwanderung vor allem die Arbeitenehmerr im Inland zu qualifizieren. Ebenfalls müsse über steuerliche Vergünstigungen für forschende Unternehmen nachgedacht werden.
Genau diesem Ansinnen widersprach René Röspel vom Koalitionspartner SPD. "Ich fürchte, das wird überwiegend zu Mitnahmeeffekten führen. Kleineren und mittleren Unternehmen wird das weniger nützen, und gerade die müssen gefördert werden", sagte Röspel. Insgesamt sah er die Strategie aber positiv. Es sei ein "Schritt in die richtige Richtung", wenn auch vor allem die Sicherheitsforschung ein Aspekt sei, den seine Partei "kritisch begleiten" werde.
"Sie haben bei der Unternehmensteuerreform doch gerade erst für Probleme für forschende Unternehmen gesorgt", hielt Ulrike Flach (FDP) Forschungsministerin Schavan entgegen. Es sei also Unsinn, jetzt Erleichterungen zu fordern. Sie kritisierte die geringe Anzahl der Jobs, die bisher geschaffen wurden. Nach Angaben des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft sind seit 2005 etwa 5.500 Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung entstanden. "Sie haben uns aber 1,5 Millionen versprochen", rief Flach der Ministerin zu.
Genauso heftig kritisierten Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Sitte (Die Linke) die Regierung. Angelehnt an die Strategie-Überschrift "Ideen zünden" bescheinigte Hinz Ministerin Schavan eine "klassische Fehlzündung". Weder die Unternehmensteuerreform habe für junge, innovative Unternehmen etwas gebracht, noch Hilfen wie die Forschungsprämie. "Kleinere und mittlere Unternehmen werden weniger unter den Antragstellern, Universitäten halten sich zurück", sah sie die Zielgruppen nicht erreicht. Sitte warf der Regierung falsche Schwerpunkte vor. "Sie fragen nicht wirklich, was sind denn die Technologien, die das Leben besser machen", sagte sie. Die Politik müsse sich mehr auf Umweltschutz und höhere Sozialstandards konzentrieren.
Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft, die mit der Regierung in der Forschungsunion zusammenarbeiten, zeigten sich allerdings erfreut über die Initiative.
"Wir haben den Dialog mit Wirtschaft und Politik intensiviert", hob Professor Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, im Gespräch mit dieser Zeitung hervor. Im Bereich Gesundheit, den er vertrete, hätten alle gemeinsam "eine richtige Landkarte der bisherigen Programme" erarbeitet und evaluiert. Es sei also nicht alles neu erfunden worden. Die Hightech-Strategie hebe sich allerdings von ihren Vorgängern dadurch ab, dass erstmals die Initiativen der Ressorts gebündelt werden.
Auch Carsten Wehmeyer, beim Bundesverband der Deutschen Industrie zuständig für die Initiative "Innovationsstrategien und Wissensmanagement", nannte das Projekt einen "begrüßenswerten Schritt". Aus seiner Sicht hat die Bundesregierung gut daran getan, so viele verschiedene Themen auf die Förderliste zu setzen. Schließlich könne man nicht von Anfang an wissen, in welchem Bereich das höchste Potenzial steckt.
"Meine anfängliche Skepsis muss ich zurückstellen", sagte der Präsident der Helmholtz-Gesellschaft, Professor Jürgen Mlynek. Im Gegensatz zu vorherigen Gremien werde in der Forschungsunion konkret analysiert, "in welchen Feldern haben Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gleiche Interessen, wo muss was gefördert werden, wo kann man zusammenarbeiten".
Natürlich bleibt noch einiges zu tun, darin sind sich die Experten einig. Laut Mlynek müssten die Unternehmen weiter "versuchen, den Forschungsstandort Deutschland wiederzuentdecken". Die zwei jüngsten Nobelpreise hätten deutlich gezeigt, dass die Grundlagenforschung in Deutschland zwar top sei, die Anwendung aber nicht immer hier stattfinde. Wirtschaftsvertreter Wehmeyer dagegen sieht eher die Wissenschaft in der Pflicht, die sich immer noch nicht von ihrer "Versäulung" gelöst habe. Es bleibt also noch genug Arbeit.