"Ich habe dir zig Jahre den Rücken frei gehalten"
"Ja", sagt Kurt J. Rossmanith, "ja, es geht mir sehr gut." Ja, natürlich habe er von Fällen gehört, "wo die Frau gesagt hat, ich hab' dir jetzt zig Jahre den Rücken frei gehalten und mich um alles wunderbar gekümmert - Kinder, Haus, Garten -, alles war recht und bestens gemacht, und jetzt kommst du - nein". Da habe mancher dann schnell geschaut, dass er ein eigenes Tätigkeitsfeld gefunden habe, damit es nicht zum Schlimmsten kommt. Ihm, dem CSU-Politiker, sei die Problematik angesichts der insgesamt acht Legislaturperioden und damit fast 30 Jahren als Bundestagsabgeordneter natürlich bestens vertraut. Kurt Rossmanith freut sich auf neue Herausforderungen.
"Meine Frau freut sich natürlich auch - nicht mehr achtzig,
neunzig Wochenstunden und auch noch das ganze Wochenende weg. Das
wird es mit Sicherheit nicht mehr geben, sondern wir werden mehr
Zeit miteinander haben. Andererseits will sie natürlich auch
ihren Freiraum behalten. Ist doch logisch. Ich werde doch da jetzt
nicht heimkommen können und sagen, ich weiß, wie alles
besser gemacht wird."
Attraktives Angebot aus der Wirtschaft
Die Planung einer vernünftigen Perspektive angesichts der Herausforderungen und Möglichkeiten für das "Danach" habe sich letztes Jahr entschieden, sagt Rossmanith. "Das führte mich damals zur Überlegung, doch nicht mehr anzutreten." Er habe "zunächst durchaus geliebäugelt - noch eine Legislaturperiode, und dann finito".
Aber dann seien Gesprächspartner aus der Wirtschaft auf ihn
zugekommen und es habe ein attraktives Angebot zur Zusammenarbeit
gegeben; Voraussetzung sei aber gewesen, dafür weit mehr Zeit
aufbringen zu können, als es ihm das Mandat erlaube.
Gleichzeitig aber nicht so viel Zeit, wie die Politik ihm bisher
abgefordert habe. Ein solches Angebot wäre "später
vielleicht oder sogar mit Sicherheit nicht mehr gekommen".
Kein Wechsel in die Kommunalpolitik
Und da war er, der Moment, die richtige Zeit zum Absprung: eine "Brücke" zu mehr Zeit für Frau, Kinder und Enkel; für wirtschaftliche Herausforderungen und für sich selbst. "Nach fast drei Jahrzehnten im Bundestag fühle ich mich alt genug, um anderen das Feld zu überlassen - und jung genug, um neuen Herausforderungen entgegentreten zu können."
"Einen Wechsel in die Kommunalpolitik - nein". Das wird es für
den Vorsitzenden der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt, den
früheren Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und Obmann
der Unionsfraktion für Sicherheits- und Verteidigungspolitik
nicht geben. "Ich werd' da (in der Kommune) nicht den Erfahrenen
spielen. Aber natürlich werde ich meiner Partei als Ratgeber
weiter zur Verfügung stehen. Allerdings nur dann, wenn ich
gefragt werde. Und natürlich werde ich mich weiterhin -
außerhalb des politischen Mandates - für unser Land,
meine Heimat, für Bayern und das Allgäu, für unsere
Bundesrepublik Deutschland und Europa einsetzen."
"Nicht mit einem Schlag von Hundert auf Null"
Ansonsten werde er sich im wieder erlernten Wirtschaftsberuf betätigen. Das sei die Chance, "nicht mit einem Schlag von Hundert auf Null zu gehen, was den Beruf angeht".
Bleibt die Antwort auf die Frage, was für den Bürger und
Politiker Rossmanith das Schönste war in den vergangenen 30
Jahren. Offenbar kann es kaum einer verhehlen, der es miterlebt
hat: der Fall der Mauer. Für den CSU-Spitzenmann ist das
verbunden mit dem Mitsingen der Nationalhymne im Bonner Bundestag
am 9. November 1989 und seiner Teilnahme am Fest der deutschen
Wiedervereinigung in Berlin 1990 ("bis fünf Uhr in der
Früh!").
"Bei den Enkeln besser machen"
Und das Schlimmste? Das waren 1998 die zu einem Untersuchungsausschuss kulminierten Verdächtigungen einer "Rechts-Ausrichtung" der Bundeswehr und seiner Beteiligung daran. Mit dem guten Ende immerhin, dass sich "alle Vorwürfe als haltlos herausstellten".
Aber das seien Tempi passati, schließlich gebe es "noch etwas
Schönstes" aus dem Privaten zu berichten, das nicht
unerwähnt bleiben dürfe: Eben jetzt erlebe er bei seinen
Enkeln, wie vertraut er ihnen sei. Obwohl er doch bisher kaum Zeit
für sie gehabt habe, erlebe er sie womöglich bewusster
als früher seine eigenen Kinder im gleichen Alter. Bei den
Enkeln will er's diesmal "besser machen".