GEDENKEN AN NS-OPFER
Köhler und Lammert erteilen allen »Schlussstrich«-Forderungen eine klare Absage
Am Ende seiner Rede zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag legte Bundespräsident Horst Köhler im Berliner Reichstagsgebäude ein Versprechen ab: "Wir Deutsche werden die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und das Gedenken an die Opfer wach halten", sagte das Staatsoberhaupt und erteilte damit allen "Schlussstrich"-Forderungen eine klare Absage. Wie Köhler rief auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) dazu auf, die Erinnerung an den nationalsozialistischen Terror und die Lehren daraus an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Der Holocaust bleibe eine "immerwährende Warnung, wachsam zu sein und nicht zu schweigen, wenn wir unsere demokratischen Grundüberzeugungen oder Regeln gefährdet sehen oder wenn Menschen Opfer insbesondere von ideologisch motivierter Gewalt werden".
1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus proklamiert; seitdem ist die Gedenkstunde im Plenarsaal des Bundestages alljährlich ein Höhepunkt der zahlreichen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet zu diesem Anlass. Im Gegensatz zu früheren Jahren nahm der Zentralrat der Juden in Deutschland nicht an der Gedenkstunde teil - was sein Generalsekretär Stephan Kramer öffentlich damit begründete, dass die Vertreter der Organisation bei den vorherigen Veranstaltungen nicht begrüßt worden seien. Über die darauf folgende mediale Aufregung war dann auch die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, alles andere als glücklich, wie sie zwei Tage später nach Angaben eines Bundestagssprechers in einem Telefongespräch mit Lammert erkennen ließ. Der Parlamentspräsident seinerseits machte in dem "freundschaftlich geprägten" Gespräch deutlich, dass sich im Vorfeld sicherlich einvernehmliche Regelungen hätten finden lassen. Knobloch erklärte anschließend, es gehe "in erster Linie darum, dass gerade an diesem Tag des Gedenkens jene Menschen angesprochen werden, die das Glück hatten, das Grauen des Nationalsozialismus zu überleben".
Dieses Grauen wurde in der Gedenkveranstaltung auch deutlich, als Schüler Leidensberichte jüdischer Kinder vorlasen, die direkt nach der deutschen Besatzung in Polen aufgezeichnet worden waren: bedrückende Zeitzeugnisse über Verfolgung und Völkermord. Von fast einer Million jüdischer Kinder in Polen erlebten nur 5.000 das Kriegsende, rief Lammert dem Auditorium in Erinnerung und mahnte, jetzt liege es an den Nachgeborenen, "dafür Sorge zu tragen, dass wir solche Zeiten nie wieder erleben".
Ähnlich äußerte sich der Bundespräsident, der den "vielen guten Erinnerungsprojekten im Lande" immer "neue Nachahmer und Nachfolger" wünschte. Trotz der lebendigen Erinnerung an die nationalsozialistische Schreckensherrschaft zeigten Untersuchungen immer wieder, "dass es mit dem Geschichtswissen bei unseren jungen Leuten nicht zum Besten steht", klagte Köhler und sah hier eine gemeinsame Aufgabe für alle, denen "die Zukunft der Erinnerung wichtig ist".
Es dürfe nicht zugelassen werden, dass "Holocaust-Leugner und Extremisten aller Art in unserem Lande Beifall oder auch nur Verständnis finden", sagte das Staatsoberhaupt und nannte es eine "Schande", dass "die Orte jüdischen Lebens von der Polizei vor alten und neuen Extremisten geschützt werden müssen". Wer gegen Juden und andere Minderheiten hetze, habe nichts aus der Geschichte gelernt, fügte Köhler hinzu und rief die Deutschen dazu auf, "solchen Leuten" entschieden entgegenzutreten: "Gestatten wir es ihnen nicht, Deutschlands Namen zu beflecken."