Will er sich anbiedern oder übt er wirklich schonungslose Selbstkritik? Hat Günter Schabowski aus den Fehlern des Sozialismus und seinen eigenen gelernt oder versucht er sich nur geschickt zu entschuldigen? Noch immer schwingen diese Fragen bei Kritikern mit, wenn sich das ehemalige Politbüromitglied zu Wort meldet. Wer aber die Demokratie so energisch preist, den diktatorischen Sozialismus so vehement verdammt und dafür freiwillig Prügel in Kauf nimmt, der sollte geläutert sein.
Im Interview mit "Zeit"-Redakteur Frank Sieren räumt Schabowski nicht nur seine Mitschuld an den Verbrechen und dem Versagen des SED-Regimes ein. Mit analytischer Präzision seziert er den Selbstbetrug der Nomenklatura und erläutert Entstehung und Funktion des Unrechtssystems. Bisweilen meint man die Stimme eines kritischen DDR-Historikers und nicht die eines reumütigen Paulus zu vernehmen. So sehr man in diesem Buch auch persönliche Fragen und Antworten vermisst, so wenig wird man nach der Lektüre daran zweifeln können, dass Schabowski einen Grad an Selbstreflexion erreicht hat, den man ihm schon zu DDR-Zeiten gewünscht hätte.
Wir haben fast alles falsch gemacht. Die letzten Tage der DDR.
Econ Verlag, Berlin 2009; 281 S., 19,90 ¤