Dass der Anspruch einer Verfassung nicht zwangsläufig mit der gelebten Wirklichkeit übereinstimmen muss, ist hinlänglich bekannt. Und die Feiern zu 60 Jahren Grundgesetz sind ein guter Anlass, die Verfassungswirklichkeit einer Überprüfung zu unterziehen. Der seit 1997 jährlich erscheinende "Grundrechte-Report" tut dies stets sehr kritisch. Die Herausgeber - neun deutsche Bürger- und Menschenrechtsorganisationen - verstehen diesen Report als einen "alternativen Verfassungsschutzbericht".
Wie bereits im vergangenen Jahr steht auch diesmal der Datenschutz beziehungsweise seine schleichende Aushöhlung ganz oben auf der Agenda des Reports. Bespitzelungen von Mitarbeitern durch die eigene Firma - siehe Lidl oder Deutsche Bahn -, oder die wachsende Datensammelwut des Staates - siehe Online-Durchsuchungen - sind nur zwei Stichworte. Kritisch hinterfragt werden sollten jedoch nicht nur Eingriffe von Seiten des Staats oder der Wirtschaft in den Datenschutz. Auch die weit verbreitete Bereitschaft, persönlichste Daten freiwillig im Internet zu publizieren, hätte in einem eigenen Beitrag dargestellt werden sollen. Denn auch ein freiwillig verschenktes Grundrecht ist ein verlorenes Grundrecht.
Grundrechte-Report 2009. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2009; 272 S., 9,95 ¤