Karsten Schöps arbeitet im Sachbereich Elektrotechnik des Deutschen Bundestages. Das hat viel mit Technik zu tun, aber ein wenig auch mit Magie.
Irgendwann kommt man auf die Idee, einmal durch die Häuser des Deutschen Bundestages zu gehen und sich nur auf das Licht zu konzentrieren. Zu schauen, was Licht mit der Architektur und die Architektur mit Licht macht. Ein Gedankenspiel nur.
Man bräuchte dann so einen wie Karsten Schöps, der erzählt, wie das mit den Wechselspielen von Hell und Dunkel funktioniert, welche Idee dahintersteckt, dass es hier so und dort anders beleuchtet, ausgeleuchtet, angeleuchtet ist. Und welche Logistik es braucht, damit alles immer funktioniert. Er stünde dann beispielsweise im Übergang vom Paul-Löbe-Haus zum Reichstagsgebäude, zwischen zwei in den Boden eingelassenen Lichtquellen, und erklärte, warum das durch mehrere Glasscheiben verteilte und zur Seite gebrochene Licht die weiße, leicht gekrümmte Wand strahlen lässt. „Es handelt sich hier um Entladungslampen”, sagte Karsten Schöps dann vielleicht, und holte einen auf den Boden technischer Tatsachen zurück.
„Wenn ich Ihnen nachher im Reichstagsgebäude die Kohlenfadenlampen zeige, die ein Kunstwerk beleuchten, werden Sie sehen, wie weit die Entwicklung in diesem Bereich vorangegangen ist.” So redete er möglicherweise und ginge dann mit der neugierigen Betrachterin ins Reichstagsgebäude, um zuerst am Beispiel des Plenarsaales zu beweisen, dass man sich hinter Licht gut verstecken kann. „Dort oben auf der Galerie, wo ringsum die großen Scheinwerfer hängen. Wenn Sie unten im Plenarsaal sitzen, können Sie die Menschen hinter den Scheinwerfern nicht sehen. Apropos Scheinwerfer. Wir könnten uns jetzt noch oben in der Kuppel die Installation für den Lichtdom anschauen. Der wird von Xenonlampen in den Himmel gebaut, die auf der Dachterrasse rund um das große konische Lichtumlenkelement, Möhre genannt, angebracht sind. Der Lichtdom ist übrigens am besten bei diesigem Wetter zu sehen.”
Karsten Schöps macht keine Lichtführungen, dies ist eine Ausnahme. Für Lichtführungen hätten er und seine Kollegen gar keine Zeit. Sie sorgen dafür, dass alle Beleuchtungssysteme im Deutschen Bundestag funktionieren. Sie müssen die Systeme warten, Beleuchtungssituationen verbessern oder ändern, für jeden Raum, jede Halle, jedes Ereignis das richtige Licht installieren. Und natürlich müssen sie – trotz aller Hightech – mit Schraubenziehern, Messgeräten und Leitern durch die Häuser laufen, um defekte Geräte zu reparieren, Leuchtelemente auszutauschen, zu kontrollieren, ob wirklich alles leuchtet, was leuchten und Licht geben soll.
Der 38-jährige Meister der Elektroinstallation arbeitet seit 2001 im Deutschen Bundestag im Sachbereich Elektrotechnik, der zum Referat ZT 3 – Liegenschaften und Gebäudetechnik gehört. Besucht man Karsten Schöps in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus, mag man das erst einmal nicht glauben. Hauptarbeitsmittel scheinen Computer zu sein. „So ist es”, bestätigt der Mann, „die gesamte Lichtsteuerung, die Kontrollen laufen natürlich über Computer. Ich kann sehen, wie die Systeme laufen, und natürlich kann ich mithilfe der entsprechenden Software Systeme selbst zum Laufen bringen.” Alles ist komplizierter als noch vor nicht allzu vielen Jahren, deshalb redet man auch von Lichtmanagement und Lichtmanagern. Davon konnte vor Jahren, als Karsten Schöps seine Lehre als Elektroinstallateur absolvierte, noch nicht die Rede sein. Und auch noch nicht, als er 1993 ein Abendstudium dranhängte, um seinen Meister zu machen. Damals arbeitete er in seiner eigenen kleinen Firma, die er von seinem Vater übernommen hatte.
2001 bewarb er sich beim Deutschen Bundestag. Hier wurde ein Monteur gebraucht. Doch nach einem Jahr gab es die Chance, ins Lichtmanagement zu wechseln. Die Ausbildung sei auf jeden Fall ein gutes Startkapital für die Arbeit im Bundestag gewesen, sagt Karsten Schöps. „Ich hatte verschiedene Kurse für Lichtsysteme und Lichttechnik absolviert, die Grundlagen für Lichtberechnungen hatte ich an der Berufsschule gelernt.”
Karsten Schöps und seine Kollegen betreuen alle Häuser des Deutschen Bundestages. Sie denken sich Lösungen aus, wenn irgendwo neue Anforderungen an die Beleuchtung und Ausleuchtung eines Raumes entstehen. Man müsse, erklärt Karsten Schöps, immer auch schauen, was passt. Schließlich gebe die Architektur vieles vor und dürfe die Ästhetik nicht gestört werden.
Er zeigt eine kleine Lösung, die das beispielhaft gut beschreibt: Im Jakob-Kaiser-Haus sollte ein Platz geschaffen werden, an dem Abgeordnete auch einmal schnell ein Statement vor den Medien abgeben können. Der Standort war das eine, das andere ein entsprechendes Licht, mit dem auch Fotografen und Kameraleute gut leben können und das zugleich nicht den Gesamteindruck des Raumes stört. Also hat Karsten Schöps eine „diskrete” Lösung gefunden, mehrere kleine verstellbare Leuchten in der Decke, die so auf die Stellwand ausgerichtet sind, dass der Mensch davor gut ausgeleuchtet ist und keinen störenden Schlagschatten wirft.
Natürlich müsse man auch oft Kompromisse schließen. Entscheidend sei immer, dass es in den Raum, zu dem Ort passt und ausreichend hell oder gerade dunkel genug ist. Bei solch großen Häusern mit so verschiedenen Raumsituationen ist das keine einfache Aufgabe. Ein Festsaal braucht ein anderes Licht als eine Eingangshalle. Eine Tunnel einfahrt im Versorgungstrakt muss so beleuchtet sein, dass man nicht ins Dunkel geht, wenn man hineinfährt und nicht geblendet wird, wenn man herauskommt, Außenbeleuchtungen an Eingangssituationen sollten so gestaltet sein, dass die drinnen in der Pförtnerloge sehen können, was draußen passiert. Wo Tageslicht ist, kann es auch mitbedacht und mitbenutzt werden, gibt es keines, sollte die gewählte Lichtfarbe den Mangel gut wettmachen. Letztlich geht es um mehr als Lichtberechnungsprogramme. Es geht auch um ein Gefühl für die Architektur und die Kenntnis von den spezifischen Bedürfnissen der Menschen, die im Bundestag arbeiten und viele Stunden verbringen.
Finden zum Beispiel große Sonderveranstaltungen statt, wie die Wahl des Bundespräsidenten, müssen neue Lichtszenarien entwickelt und installiert werden. Das sind große Herausforderungen und spannende Aufgaben. Am Ende sehen die Menschen dann nur, wie schön alles ins Licht gesetzt ist. Die dafür gesorgt haben, sind da schon wieder mit anderen Arbeiten beschäftigt.
Karsten Schöps und seine Kollegen sind mehr als Elektroinstallateure. Die alte Berufsbezeichnung trifft nicht mehr zu. Lichtberechnung, Lichtsteuerung, und das alles mit moderner Hard- und Software, haben das Berufsbild verändert. Trotzdem gibt es noch das gute alte Materiallager, in dem aufgehoben und verwahrt wird, was man braucht, um im Zweifelsfall mal schnell einen Leuchtkörper, eine defekte Lampe oder einen Lichtschalter auszutauschen. Und es gibt auch noch den guten alten Rundgang, bei dem sich einer wie Karsten Schöps davon überzeugt, dass die Dinge in Ordnung sind und funktionieren. Und dann kann es vorkommen, dass er im Untergeschoss des Jakob-Kaiser-Hauses durch einen Gang läuft und sich ärgert, weil es hier eindeutig zu dunkel ist. Da hilft es dann nicht, dass die Lichtmessung, die immer am Boden erfolgt, besagt, alles liege im Normbereich. Der Gang ist einfach zu dunkel, und der Lichtmanager Schöps will, dass sich hier was ändert. Also wird er überlegen, was man machen kann.
Fragt man ihn, welches der Häuser er – von seiner beruflichen Warte aus betrachtet – am schönsten findet, nennt er sofort das Reichstagsgebäude. Er kann gut erklären, warum das so ist. Zeigt zu erst, wie gut die nackten Kohlefadenlampen zu Christan Boltanskis Kunstwerk „Archiv der Deutschen Abgeordneten” im Untergeschoss passen. Zeigt dann, wie weich das Licht auf die sorgsam konservierten Inschriften sowjetischer Soldaten auf den massiven alten Mauern des Reichstagsgebäudes fällt. Erklärt wie das Blau der Sitze im Plenarsaal sich mit dem Licht verändert. Und welcher Aufwand betrieben werden muss, findet hier im Plenarsaal eine große Sonderveranstaltung statt. Er zeigt, wie sich Tageslicht mit Kunstlicht mischt und die Wirkung von Räumen verstärkt. Und beim Zuhören und Zuschauen weiß man dann, dass Licht eben mehr ist, als Abwesenheit von Finsternis.
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 17. Dezember
2009