BADEN-WÜRTTEMBERG
Während eine Urwahl des Vorsitzenden die gebeutelte SPD retten soll, inszeniert die CDU den Wechsel des Ministerpräsidenten
Schwaben und Badener sehen sich derzeit in einer luxuriösen Lage: Ihnen werden auf der politischen Bühne gleich zwei interessante Stücke geboten. Die CDU inszeniert den Wechsel von Ministerpräsident Günther Oettinger zu Stefan Mappus - wobei Letzterer im Warteraum ausharren muss, bis der Noch-Kabinettschef zu einem unklaren Zeitpunkt als EU-Kommissar nach Brüssel wechselt. Zudem ringen Agrarminister Peter Hauk sowie die Vizefraktionschefs Klaus Schüle und Stefan Scheffold um die Führung der CDU-Parlamentstruppe: Indes kann auch dies erst geklärt werden, wenn Amtsinhaber Mappus vom Landtag an die Regierungsspitze gewechselt ist.
Hingegen dürfte sich schon Ende dieser Woche der Dreikampf um den SPD-Vorsitz entscheiden: Zwischen dem 18. und 21. November bestimmen erstmals die 40.000 Mitglieder in einer Urwahl die neue Nummer eins, nachdem Ute Vogt wegen des Debakels bei der Bundestagswahl zurückgetreten ist. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, Fraktionschef Claus Schmiedel und der Parlamentarier Nils Schmid sind bei vier Regionalkonferenzen in dieses Rennen gestartet.
Die gebeutelte Südwest-SPD erhofft sich von der Mitgliederbefragung den dringend benötigten Motivationsschub. Das Desaster vom 27. September mit deprimierenden 19,3 Prozent und einem Verlust von 10,8 Prozent war nur der letzte Schlag: "Nach dieser Niederlage brauchen wir eine grundlegende Erneuerung", meint Vogt.
Einst als Jungstar der Schröder-Mannschaft gestartet bugsierte Vogt als Anfangserfolg ihre Partei bei der Landtagswahl 2001 auf beachtliche 33 Prozent. Doch seit einigen Jahren geht es unter ihr stetig bergab. Bei der Landtagswahl 2006 stürzte die Südwest-SPD, einst mit Erhard Eppler republikweit ein Markenzeichen, auf 25 Prozent ab. Die Europawahl im vergangenen Juni endete ebenfalls katastrophal. Bei den Kommunalwahlen an jenem Tag landete die SPD in der Hauptstadt Stuttgart hinter Grünen und CDU nur noch auf Platz drei. Viel über die Misere sagt auch die Zahl von lediglich 40.000 Mitgliedern aus, und dies bei zehn Millionen Baden-Württembergern - die ebenfalls lädierte Saar-SPD hat 22.000 Mitglieder bei nur einer Million Einwohner.
Hätte der bodenständig-populäre Ulmer Rathauschef Ivo Gönner dem Drängen nachgegeben und den Vorsitz für sich reklamiert, wäre es wohl gar nicht zu einer Urabstimmung gekommen. Doch Gönner hat abgewinkt. Was nicht heißt, dass er nicht vielleicht Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2011 werden könnte: Die Besetzung dieser Position soll bei der Mitgliederbefragung nicht entschieden werden. Mit der Einbindung der Basis will man sich von der in der Bundes-SPD viele Jahre gepflegten "Basta-Politik" sowie vom Hauruck-Vorgehen bei der Inthronisierung von Sigmar Gabriel absetzen.
Alle drei Kandidaten, die persönliche Angriffe vermeiden, singen denn auch das hohe Lied der direkten Demokratie. Man sei auf die "Mitarbeit der Basis angewiesen wie nie zuvor", meint Schmiedel. "Mehr Demokratie in der Partei und mehr Sozialdemokratie in der Sache" fordert Mattheis. "Rein in die Meinungsfreiheit ohne Denkverbote", sagt Schmid, generell müsse die SPD die Mitglieder stärker an Entscheidungen beteiligen. Formell inthronisiert erst ein Parteitag Ende November die Nummer eins, doch werden die Delegierten den Basisentscheid umsetzen.
Politisch wird ein Kontrastprogramm geboten. Anders als Schmid und Schmiedel verkörpert Mattheis den linken Flügel, sie war gegen die Rente mit 67 und Hartz IV, "das haben uns die Leute nicht vergeben". Allerdings werden der Ulmerin nur Außenseiterchancen eingeräumt. Zwischen Schmid und Schmiedel sind politische Unterschiede kaum auszumachen. Aus Schmids Sicht hat die SPD in elf Regierungsjahren im Bund Erfolge vorzuweisen, man solle "nicht im Büßergewand durchs Land ziehen". Schmiedel poltert im Landtag gern los, während Schmid das Bild eines nüchternen Finanzfachmanns vermittelt.