ARBEIT/SOZIALES
Franz Josef Jung stellt seine Pläne vor
Franz Josef Jung (CDU) ist - neben Wolfgang Schäuble, Thomas de Maiziere (beide CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) - einer der vier Minister, die schon der ersten Regierung unter Angela Merkel angehört haben, im neuen Kabinett allerdings in ein anderes Ressort wechselten. In seiner ersten Rede als Bundesminister für Arbeit und Soziales am 11. November skizzierte Jung die wichtigsten Pläne für die Arbeitsmarktpolitik der neuen Regierung. Als Motto wählte Jung einen Satz, mit dem 2005 noch die SPD in den Wahlkampf zog: "Sozial ist, was Arbeit schafft". Für den Arbeitsminister bedeutet das: "Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der nicht Fesseln anlegt, sondern Freiraum für Arbeit schafft." Konkret kündigte Jung an, die veränderten Regelungen zur Kurzarbeit, die wegen der Wirtschaftskrise beschlossen worden waren, zu verlängern. Im Februar 2009 wurde die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld auf 24 Monate erweitert, diese Regelung sollte jedoch ursprünglich Ende 2009 auslaufen. Nach den letzten verfügbaren Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bezogen im Juli dieses Jahres etwa 1,4 Millionen Menschen staatlich gefördertes Kurzarbeitergeld.
Franz Josef Jung sprach sich auch dafür aus, die Mitarbeiterbeteiligung an den Unternehmen auszuweiten und das "Verbot sittenwidrig niedriger Löhne" gesetzlich festzuschreiben. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom April 2009 sind Löhne dann als sittenwidrig einzustufen, wenn die Bezahlung weniger als zwei Drittel des regional und branchenüblichen Tariflohns beträgt.
Auch auf die Empfänger des Arbeitslosengeldes II, "Hartz IV" genannt, kommen mit der neuen schwarz-gelben Koalition einige Änderungen zu. So soll das sogenannte Schonvermögen, das nicht aufgebraucht werden muss, bevor staatliche Leistungen beantragt werden können, von bislang 250 Euro je Lebensjahr auf 750 Euro je Lebensjahr angehoben werden. Die Änderung betrifft einige zehntausend Antragsteller im Jahr. Auch selber bewohnte Eigentumswohnungen oder -häuser sollen im Falle von Arbeitslosigkeit vor dem staatlichen Zugriff geschützt werden, sagte der Arbeitsminister. Außerdem sollen die Zuverdienstmöglichkeiten für Leistungsempfänger erweitert werden. Das Ziel: "Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet", strich Jung heraus.
Auch eine weitere Aufgabe, die sich die schwarz-gelbe Koalition gesetzt hat, hob der Minister hervor: "In dieser Legislaturperiode wollen wir ein einheitliches Rentensystem in Ost und West schaffen." Er lud alle Fraktionen dazu ein, "sich intensiv an der Diskussion und der Entscheidung darüber zu beteiligen; denn es ist eine Herausforderung."
Hubertus Heil (SPD) kritisierte die geplanten Änderungen der schwarz-gelben Koalition. Sozial sei nur, "was anständige Arbeit schafft, von der Menschen auch leben können" Der Zusatz, "davon auch leben können" ist es laut Heil, der den Unterschied zur Koalition mache. Heil kritisierte auch die im Koalitionsvertrag festgelegten zusätzlichen Möglichkeiten für Unternehmer, Mitarbeiter befristet einzustellen, ebenso die erweiterten Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose. Damit "machen Sie nichts anderes, als das Geld der Steuerzahler zu nehmen, um die Löhne in Billigjobs im Interesse der Arbeitgeber, die nicht bereit sind, einen anständigen Lohn zu zahlen, aufzustocken", warf Heil Arbeitsminister Jung vor. Außerdem sprach er sich dafür aus, die staatlich geförderte Altersteilzeit, die Ende 2009 ausläuft, zu verlängern.
Heinrich Kolb (FDP) dagegen begrüßte das Auslaufen der staatlich geförderten Altersteilzeit. Durch diese Maßnahme seien "in vielen Fällen Ältere mit mehr oder weniger sanftem Druck aus dem Erwerbsleben und aus den Betrieben hinausgedrängt worden." Altersteilzeit könne es auch zukünftig geben - dann aber nicht auf Kosten der Beitragszahler, sondern "bitte auf Kosten der Firmen, die diese wollen." Kolb begrüßte, dass sich die Koalitionsparteien auf die Ablehnung eines gesetzlichen Mindestlohns geeinigt hatten und dass "die Möglichkeit, branchenbezogene Mindestlöhne einzuführen, eingedämmt wurde."
Dieser Sichtweise widersprach Klaus Ernst (Die Linke) entschieden: "Eine Floristin in Sachsen-Anhalt verdient 4,35 Euro in der Stunde. Ist das gerecht? Lohnt sich deren Leistung?" Es sei sittenwidrig, "dass Sie akzeptieren, dass die Floristin statt 4,35 nur 2,90 Euro" verdiene. Damit bezog sich Ernst auf den im Koalitionsvertrag angekündigten Verbot sittenwidriger Löhne. Auch er kritisierte die Ausweitung befristeter Arbeitsverträge als Abbau des Kündigungsschutzes: Denn "ein befristet Beschäftigter muss nicht entlassen werden. Er fliegt einfach raus", so Ernst.
Für "flächendeckende Mindestlöhne" sprach sich auch Brigitte Pothmer (Grüne) aus: "6,5 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland für geringe Löhne, und von ihnen verdienen zwei Millionen weniger als fünf Euro pro Stunde", führt sie als Argument an. "Was hat das eigentlich damit zu tun, wenn Sie sagen: ,Arbeit soll sich wieder lohnen'?" fragte sie.