SPD-Chef Kurt Beck verbuchte den Pflegekompromiss in der vergangenen Woche zufrieden auf der "Haben"-Seite der Großen Koalition. Dies verwundert, ist doch gerade für die SPD der nach langem Tauziehen und verbalem Hau-Drauf ausgehandelte Kompromiss hart erkauft worden. Weder der von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vehement propagierte Vorschlag einer bezahlten zehntägigen Freistellung zur Pflege von Angehörigen noch die SPD-Forderung nach bundesweit rund 4.000 Pflegestützpunkten sind durchgesetzt worden. Übrig geblieben sind eine unbezahlte Pflegezeit und ein Flickenteppich bei den künftigen Pflegeberatungsstellen, die zur Ländersache erklärt wurden.
Verbesserungen bringt der Kompromiss für die Demenzkranken, die nun in der Pflegeversicherung erstmals berücksichtigt werden. Auch die künftige jährliche unangemeldete Kontrolle der Pflegeheime und die Veröffentlichung der Ergebnisse waren ein längst überfälliger Schritt, obwohl Experten bezweifeln, dass sich an der Qualität der stationären Pflege dadurch fundamental etwas verbessert.
Es bleibt allerdings bedauerlich, dass unabhängig vom öffentlich ausgetragenen Streit um Unterpunkte die angesichts der demografischen Entwicklung größte Herausforderung in der Pflege nicht angegangen wurde. Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wird der Beitrag für die Bevölkerung um 0,25 Prozentpunkte steigen. Ob diese Erhöhung wie vorgesehen bis 2015 ausreicht, darf angesichts einer von Statistikern angenommenen Erhöhung der Pflegebedürftigkeit in der Bevölkerung von derzeit 2,1 auf etwa 2,8 Millionen Menschen im Jahr 2020 bezweifelt werden. Und vor der Gretchenfrage der langfristigen Finanzierung - ob Umlageverfahren oder Kapitaldeckung - hat sich die Große Koalition erfolgreich gedrückt.