SIMBABWE
Noch immer steht das Wahlergebnis aus. Stimmungsbild aus einem geschundenen Land
Die staubige Straße nach Mbare, an deren Rand flache, aus Stein gebaute Arbeiterhäuser stehen, ist leer. Nur ab und zu rast hupend einer der rostigen Toyotabusse vorbei, die als Sammeltaxi vom ältesten Armenviertel Harares ins Zentrum der simbabwischen Hauptstadt verkehren. "Zur Arbeit und zurück kostet mich der Bus heute 35 Millionen simbabwische Dollar", beschwert sich Gloria, die am Straßenrand wartet. Das sind nach Schwarzmarktkurs im von Hyperinflation geplagten Land zwar nur knapp 50 Eurocent - aber zugleich fast ein Zehntel dessen, was die Sekretärin Ende März als Gehalt bekommen hat. "Und morgen ist es vielleicht schon wieder teurer, weil der Benzinpreis täglich steigt." Obwohl ihr Arbeitgeber Gloria einen Zuschuss zu den Fahrtkosten zahlt, muss sie oftmals laufen. "Das dauert drei Stunden, einen Weg."
Das Leben in Mbare ist mühsam geworden. Nicht zuletzt deshalb hatte man sich hier von den Wahlen am letzten März-Samstag so viel versprochen. "Wir haben friedlich gewählt, obwohl viele Wähler von den Wählerlisten verschwunden waren und ihre Stimme nicht abgeben durften", berichtet der 27-jährige Oppositionskandidat Enias Gengezha, der hier für die Gemeindevertretung angetreten ist. Vor einem Jahr war das noch anders: Als Bewohner nach einer Cholera-Epidemie gegen die Vernachlässigung durch die Regierung protestierten, wurden sie von der Polizei niedergeprügelt. Vor drei Jahren ließ der autokratische Präsident Robert Mugabe Tausende Hütten abreißen, in einer Operation, die er "Murambatsvina", "Müllabfuhr" in der örtlichen Shona-Sprache, nannte. Mitten im Winter waren geschätzte 700.000 Menschen auf einmal obdachlos und mussten fliehen. Wer blieb, der hat bei dieser Wahl für die "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) und ihren Chef, den langjährigen Regimekritiker Morgan Tsvangirai, gestimmt. Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass er die Wahl diesmal tatsächlich gewonnen hat. Doch die Wahlkommission hält das Ergebnis auch zwei Wochen nach der Wahl noch zurück. Die ersten drohen bereits mit Protesten. "Ich werde der Erste sein, der gegen Mugabe demonstriert", warnt der schon grauhaarige George. Er glaubt, dass ganz Mbare auf die Straße gehen wird, wenn der seit 28 Jahren regierende Präsident Robert Mugabe an der Macht bleiben will. Doch bislang warten die meisten Bewohner nur ab, nervös, aber tatenlos.
Dabei war die Stimmung zunächst so optimistisch. Als die Ergebnisse der Parlamentswahl veröffentlicht wurden, hätte man Champagnerkorken knallen hören, doch solches Luxusgut kann sich in der einstigen Vorzeigeökonomie Afrikas schon lange kaum noch jemand leisten. Erstmals seit der Unabhängigkeit 1980 überholte die Opposition Mugabes ZANU-PF.
Es schien, als verzichte die Regierungspartei diesmal darauf, wie bisher die Ergebnisse in großem Stil zu ihren Gunsten zu fälschen. Doch die Freude währte nur kurz: Die Ergebnisse der Senatswahl zeigten zur Überraschung aller einen Gleichstand an. Der Senat, das simbabwische Oberhaus, kann alle Beschlüsse des von Mugabe weitgehend entmachteten Parlaments kassieren. Weil mehrere Senatorensitze vom Präsidenten persönlich besetzt werden, ist jetzt das Ergebnis der Präsidentenwahl auch für die Mehrheit im Senat entscheidend. Die wenigen unabhängigen Wahlbeobachter sehen Tsvangirai vorne, halten aber eine Stichwahl für nötig, weil er die nötige absolute Mehrheit knapp verpasst hat. Doch neue Propaganda von Mugabe-Hardlinern lässt befürchten, dass mit der Verhaftung von Wahlbeamten und "Korrekturen" angeblicher Oppositionsfälschungen noch vor der Verkündung des Ergebnisses Mugabe zum Sieger gemacht werden soll.
"Mugabe und die Polizeiführung wollten schon vor Tagen Unruhen in Harare schüren", weiß zudem der gut vernetzte Unternehmensberater Gibson, dem Mugabes Partei bereits einmal einen Ministerposten angedient haben soll. Dann, so die Hoffnung der Hardliner, könnte Mugabe den Ausnahmezustand ausrufen und ohne das Parlament weiterregieren. Doch die jungen Polizeioffiziere, so Gibson, eine Ebene tiefer seien nicht dazu bereit gewesen. "Die haben gesagt: Wenn Mugabe Leute umbringen will, dann soll er sich ein Maschinengewehr nehmen und selbst auf die Straße gehen, wir tun es nicht." Die Zeichen mehren sich, dass die Basis für Mugabes Herrschaft, Polizei und Militär, nicht mehr geschlossen hinter ihm stehen. Schuld daran hat vor allem die Rekordinflation von mehr als 164.000 Prozent. Die Zentralbank, deren glitzerndes Gebäude quer gegenüber dem Parlament steht, kommt mit dem Gelddrucken kaum noch nach. Mit jedem neuen Schein verliert der einst starke Simbabwe-Dollar an Wert, weil die Geldmenge steigt, ohne dass es einen Gegenwert gäbe. Importierte Güter wie Benzin, aber auch Mais- oder Weizenmehl, die in Devisen bezahlt werden müssen, werden knapp - Grundnahrungsmittel gibt es nur noch auf dem Schwarzmarkt.
In diesem tristen Alltag hat sich eine Zuversicht ausgebreitet, die es vorher nicht gab. "Es kann einfach nicht so weiter gehen", bilanziert Unternehmensberater Gibson. Es gebe Anzeichen dafür, dass ein Großteil der Elite sich ins Ausland absetzen will. "Die wollen, dass die absehbare Stichwahl um das Präsidentenamt erst in drei Monaten stattfindet, damit sie Zeit genug haben, abzuziehen." Dafür spricht auch, dass die Regierung gerade die Obergrenze für Abhebungen bei den Banken herab gesetzt hat, um Kapitalflucht zu verhindern. Dass Mugabe in drei Monaten gewinnt, hält Gibson für unmöglich. "Auf den wenigen bestellten Feldern erwarten wir eine Missernte, in drei Monaten hungert das ganze Land."