STUDIENFINANZIERUNG
Fraktionen streiten über Gebühren und Stipendien
Die Diskussion um eine sozial gerechte und ausreichende Finanzierung des Studiums ist in der vergangenen Woche wieder entbrannt. Während in Hessen SPD und Grüne mit Unterstützung der Linken einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Studiengebühren vorstellten, einigten sich in Hamburg CDU und Grüne auf reduzierte Gebühren, die erst am Ende des Studiums gezahlt werden müssen. Passend dazu fand am 10. April im Bundestag eine Debatte zu Stipendiensystemen und Studiengebühren statt - die die unterschiedlichen Zugänge der Parteien zu diesem Thema erneut deutlich machte.
Vier Anträge standen auf der Tagesordnung, zwei der FDP-Fraktion ( 16/8196, 16/8407) und je einer von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/8749) und Die Linke ( 16/8741). Die Liberalen hatten einen Vorschlag des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministers Andreas Pinkwart (FDP) für den Aufbau eines neuen Stipendiensystems für Studenten aufgenommen. Mit dem System solle die Förderquote von derzeit zwei auf zehn Prozent angehoben werden. Auch die Wirtschaft soll sich finanziell beteiligen. In einem zweiten Antrag plädierten sie für eine bessere Finanzberatung der Studierenden. Die Linken forderten einen schrittweisen Ausbau des Bafög zum Vollstipendium. Für eine systematischere Überwachung der Auswirkungen von Studiengebühren traten die Bündnisgrünen in ihrem Antrag ein, sowie langfristig für ein gebührenfreies Erststudium.
Cornelia Hirsch, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, kritisierte das von der FDP vorgeschlagene Stipendiensystem als "sehr gefährlich". Es sei ein erster Schritt zur Abschaffung des BAföGs. Außerdem sei die Partnerschaft von Staat und Wirtschaft in der Studienfinanzierung der falsche Weg, denn "die Studenten würden eingetaktet auf das, was die Wirtschaft möchte".
"Stipendien machen Sinn. Der Bund sollte aber nicht die Gebühren-Suppe der Länder auslöffeln müssen", meinte dagegen Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen. Deshalb solle der Bund kein neues Stipendiensystem starten. Er verstehe auch nicht, warum die Liberalen nicht noch stärker an die Wirtschaft appellierten. Die habe vor Jahren schon ein Stipendienprogramm versprochen, ohne es zu realisieren. Auch die Grünen seien für eine besser Finanzberatung der Studierenden, denn der Bedarf sei seit der Einführung von Gebühren und Krediten gestiegen. Doch die prekäre Finanzsituation von Studenten werde sich nicht allein durch eine bessere Beratung verbessern. "Wir brauchen ein stärkeres BAföG und Studiengebührenfreiheit", so Gehring.
"Es passiert mehr, als man in der Öffentlichkeit wahrnimmt, aber es ist immer noch zu wenig", sagte der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Uwe Barth, zur Beteiligung der Wirtschaft. Ein festes Konzept, wie die Unternehmen noch stärker zu einer Unterstützung der Studenten motiviert werden könnten, habe er zwar nicht. Aber deswegen wolle er nicht auf eine parlamentarische Initiative verzichten, um den Prozess anzustoßen. Wichtig sei ihm vor allem die Verbesserung der Finanzberatung. "70 Prozent der Studenten geben als Berater Freunde und Familie an. Ich glaube nicht, dass in jeder dieser Familien ein ausgewiesener Finanzexperte sitzt", so Barth.
Die Koalitionsvertreter zeigten sich zurückhaltend bis ablehnend gegenüber den Oppositionsvorschlägen. "Grundsätzlich stehe ich einem Stipendiensystem positiv gegenüber", meinte der bildungspolitische Sprecher der SPD, Jörg Tauss. "Aber ich weite lieber das BAföG aus, als dass ich die Zahl der Stipendien erhöhe." Die Sozialdemokraten arbeiteten derzeit an einer kleinen BAföG-Novelle, die Schwierigkeiten wie den Übergang von Bachelor- auf Masterstudium erleichtern sollen. Wenn es künftig zehn Prozent Stipendiaten unter den Studenten geben solle, dann müsse die Wirtschaft stärker in die Pflicht genommen werden. "In kaum einem anderen Land engagiert sich die Wirtschaft weniger als in Deutschland und bisherige Versprechen über Stipendien wurden nicht eingelöst", so Tauss.
Auch Marion Seib (CSU) blieb skeptisch gegenüber dem Stipendienvorschlag der Liberalen. "Da fehlt der Finanzierungsvorschlag", bemängelte sie als ersten Punkt. Außerdem plädiere sie dafür, vorhandene Organisationen auszubauen, statt neue zu schaffen. Das gelte auch für die Finanzberatung. Auch sie betonte die Pflicht der Wirtschaft, sich mehr zu engagieren. "Das liegt doch in ihrem Interesse, gut ausgebildete Fachkräfte zu bekommen". Die Forderung von Linken und Grünen nach Abschaffung der Studiengebühren bezeichnete sie als "jenseits der Realität".
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes, Achim Meyer auf der Heyde, zeigte sich im Gespräch mit dieser Zeitung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber den FDP-Vorschlägen. Die Finanzberatung sei in der Tat notwendig, denn insbesondere die neuen Kreditmöglichkeiten sorgten für Unsicherheit. Ein Stipendiensystem in Zusammenarbeit mit Unternehmen fände er als Ergänzung zum BAföG zwar begrüßenswert, aber bisher habe die Wirtschaft ihre dahingehenden Versprechen nicht eingelöst. Außerdem befürchte er, dass die leistungsbezogenen Stipendien, die die FDP vorsehe, die soziale Auslese fördern könnten. "Das ist auf dem Papier unabhängig von der Herkunft und dem Einkommen der Eltern. Aber wir wissen ja durch wissenschaftliche Untersuchungen, dass das Elternhaus durchaus den Schulerfolg beeinflusst", so Meyer auf der Heyde. Sandra Ketterer