Soziales
Ein Blick auf die Kluft zwischen Arm und Reich
Manchmal diktiert Empörung Dorothee Beck und Hartmut Meine die Worte in die Feder, zuweilen konzentrieren sich die Journalistin und der IG-Metaller auf die nüchterne Faktenanalyse. Das tut diesem Band nicht sonderlich gut. Da finden sich neben Tabellen über die Einkommen und Vermögen von Spitzenmanagern, Top-Aufsichtsräten, Regierungsmitgliedern und Parlamentariern reportagehafte Einsprengsel etwa über die verarmte Maria B., die sich bei einer Tafel ernähren muss: "Monatelang bin ich nicht hingegangen. Ich konnte einfach nicht (...) zwischen Menschen, die drängeln, aus Angst, leer auszugehen (...)." Und die trockene Auflistung der Ausgabenposten im bescheidenen ALG-II-Warenkorb wird andernorts im Buch kontrastiert mit einer erfrischend-bösen Satirestory über Superreiche und deren Nöte, ihre Millionen für Yachten, Reitpferde, Juwelen, den Kauf einer Insel, Chauffeure und Butler auszugeben: "Auf solche Probleme der Luxusklasse hat sich eine ganze Beraterbranche spezia-lisiert."
Das stilistische Hin und Her mag gelegentlich stören. Inhaltlich präsentieren Beck und Meine jedoch eine spannende Analyse der wachsenden sozialen Kluft, die sie treffsicher auf den Punkt bringen: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann bekomme "pro Stunde mehr Geld als ein Durchschnittsverdiener in zwei Monaten". Die Autoren schildern ihre gar nicht einfachen Bemühungen, die Welt der Reichen mit ihren stetig wachsenden Einkünften auszuleuchten. Gleichwohl werfen die Verfasser facettenreiche Blick auf das "Hochlohnland Führungsetage", wobei Quellenangaben nicht fehlen. In dem Buch lernt man etwa die Milliardäre samt ihrem sagenhaften Vermögen namentlich kennen.
Leichter zu erkunden ist die Sphäre der Durchschnittsverdiener und Armen, die viele Jahre Realeinkommen oder gar herbe soziale Einschnitte hinnehmen mussten: Beck und Meine erläutern anschaulich die Lebenssituation jener, die trotz harter Arbeit nie auf einen grünen Zweig kommen, die von der sich ausbreitenden Zwei-Klassen-Medizin betroffen sind und auf ein ärmliches Rentendasein zusteuern.
Als wesentliches Element ihrer Forderung nach mehr Verteilungsgerechtigkeit thematisieren Beck und Meine die Verteidigung des Flächentarifvertrags. Dass der keine Selbstverständlichkeit mehr ist, charakterisiert den Wandel zu einer Gesellschaft, in der die Pole oben und unten immer weiter auseinanderdriften.
Armut im Überfluss. Nachrichten aus einer gespaltenen Gesellschaft.
Steidl Verlag, Göttingen 2007; 352 S., 18 ¤