NS-Terror
Eine Dokumentation zum Ermächtigungsgesetz
So manche Lektüre ist eine Zumutung. Doch so mancher Zumutung wird man sich immer wieder stellen müssen. Im Orginalton zu lesen, wie vor 75 Jahren per Gesetz - und damit auf einem scheinbar legalen Weg - das Ende der ersten parlamentarischen Demokratie in Deutschland besiegelt wurde, ist eine solche Zumutung. Am 23. März 1933 verabschiedete der am 5. März allenfalls noch formalrechtlich frei gewählte Reichstag das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich". Das stenografische Protokoll dieser Reichstagssitzung ist zentraler Bestandteil des Dokumentationsbandes "Das Ermächtigungsgesetz 1933", den die Historikerin Daniela Münkel zusammen mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, herausgegeben hat.
Lediglich die 94 anwesenden Reichstagsabgeordneten der SPD stimmten gegen das Ermächtigungsgesetz, dass es der NS-Regierung ermöglichte, Gesetze auch ohne Zustimmung des Reichstags, Reichsrats und des Reichpräsidenten zu erlassen. Die übrigen Mitglieder der eigentlich 120 Abgeordnete umfassenden SPD-Fraktion war zu diesem Zeitpunkt bereits inhaftiert oder geflohen; die 81 Mandate der Kommunisten waren aufgrund der Reichstagsbrandver- ordnung annulliert worden.
Die Lektüre des Protokolls der Reichstagssitzung am 23. März 1933 zeigt eindrücklich, mit welcher Verachtung die Nationalsozialisten die junge und instabile Weimarer Republik beseitigten. Und wie die konservativ-bürgerlichen Parteien ihnen ent- weder aus Überzeugung oder aufgrund völliger Fehleinschätzung der Lage dabei folgten. Dem gegenüber steht aber auch die Rede des SPD-Reichstagsabgeordneten Otto Wels - ein letztes flammendes und mutiges Plädoyer für die Verteidigung der Demo-kratie.
Historisch eingeordnet wird die Dokumentation durch den Beitrag von Daniela Münkler. Biografien der SPD-Abgeordneten und ihrer Schicksale in den Jahren nach 1933 runden den Band ab. Das Buch versteht sich nicht nur als eine Dokumentation des katastrophalen Ereignisses. Es ist auch eine Würdigung jener Frauen und Männer, die sich bis zuletzt dem beginnenden Nazi-Terror nicht beugen wollten. Und so betont Struck in seinem Vorwort, dass die "schwärzeste Stunde des deutschen Parlamentarismus" für "Sozialdemokraten allerdings auch immer eine stolze Erinnerung bleiben" wird. Ansonsten ist der Band jedoch sehr nüchtern gehalten - ohne jedes falsche Pathos.