SPD
Elke und Wolfgang Leonhard warnen vor einer Annäherung an Die Linke
So offen, wie man es auf den ersten Blick vermuten könnte, ist die Frage für Elke und Wolfgang Leonhard nicht: "Die linke Versuchung. Wohin steuert die SPD?" haben sie ihr neues Buch benannt und geben darin auch eine klare Antwort: Eine programmatische Annäherung an Die Linke würde die SPD "direkt in die Opposition führen". Ihre Aufgabe, "die Freiheit des Einzelnen und die Erweiterung der Lebenschancen in den Fokus zu rücken, zu verteidigen und zu erweitern" könne sie so nicht erfüllen. Vielmehr sei es nötig, dem Druck von der linken Konkurrenz "nicht nur standzuhalten, sondern ihn auch zu erwidern".
Es ist ganz sicher kein Zufall, dass das Buch der Leonhards pünktlich zu Beginn des Wahlkampfes erscheint. Die beiden ausgewiesenen Kenner der deutschen Sozialdemokratie ersparen ihrer Partei darin die Analyse von Fehlern nicht, verharren aber nicht im Beklagen von Versäumnissen. Immer wieder erinnern sie an die große Vergangenheit der Partei, "die sich seit über 100 Jahren von allen totalitären Tendenzen fern gehalten und unter großen Opfern den Weg der Freiheit gewählt" habe. Und gerade bei dem Thema, das der SPD im vergangenen Jahr am meisten zu schaffen gemacht hat, raten sie zu deutlich mehr Gelassenheit: Für "neurotische Abgrenzungsversuche" der SPD zur Linken gebe es "kein Anlass", es sei "absurd", dass die Sozialdemokraten "in die Falle des politischen Kalküls ihrer Gegner" gerieten und "fast zwanghaft" Rede und Antwort stünden. Es sei ausreichend, einen Blick auf Programm und Beschlüsse der SPD zu werfen, um zu erkennen, "dass es hier keine Symbiose mit wie auch immer gearteten kommunistischen Strömungen gibt". Das ist eine simple Feststellung für die beiden Publizisten, für die SPD dürfte es aber ein Vorschlag sein, der im politischen Alltag nur schwer umzusetzen ist. Denn auch 20 Jahre nach der friedlichen Revolution hat die Partei noch keine klare Linie in der Frage gefunden, wie sie mit den SED-Nachfolgern umgehen soll.
Am schmerzhaftesten traf sie diese Erkenntnis ausgerechnet in einem westdeutschen Bundesland, als das Lavieren ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti die SPD zu Beginn dieses Jahres in eine desaströse Niederlage führte. Jetzt aus dem Elfenbeinturm der akademischen Beobachter einen ganz neuen, unbefangenen Umgang mit der Linken vorzuschlagen, dürften nicht wenige der SPD-Politiker, die unter dem Schlingerkurs ihrer Partei zwischen moralischen Erwägungen und machtpolitischem Kalkül leiden, als einigermaßen schwer umsetzbar empfinden.
Dennoch sollten sie das Buch der Leonhards lesen. Denn es bietet nicht nur eine streitbare Analyse, sondern auf knapp 200 Seiten eine fesselnd geschriebene Geschichtsstunde. Die Autoren erinnern daran, wo die SPD herkam und wie es ihr im Verlauf der vergangenen 100 Jahre immer wieder gelang, Krisen zu meistern. Das Verhältnis zur Linken ist dabei gleichsam der rote Faden: Immer wieder werden die Unterschiede der SPD zu kommunistischen Organisationen betont. Für die Autoren ist Die Linke dabei keine Partei wie jede andere: Als PDS habe man sie zu Recht als "Wendepartei, die sich nicht wenden will" bezeichnen können, als heutige Linke erscheine sie als "Partei der Widersprüche", die zwar den Anspruch erhebe, regierungsfähig zu sein, gleichzeitig aber in der Außenpolitik einen Sonderweg anstrebe, "der die Bundesrepublik direkt ins internationale Abseits katapultieren" würde.
Ob der von den Leonhards empfohlene gelassene Umgang mit diesen klaren Argumenten wahlentscheidend sein kann, sei dahingestellt. Es stünde der SPD dennoch gut zu Gesicht, sie zu verinnerlichen. Dann könnte sie damit aufhören, sich wie von Elke und Wolfgang Leonhard beklagt, "unter Aufgabe aller politischen Logik selbst zu demontieren" und vor "lauter Taktiererei die Orientierung" zu verlieren. Denn das ist ihrer langen und erfolgreichen Geschichte nicht angemessen.
Die Linke Versuchung. Wohin steuert die SPD?
be.bra Verlag, Berlin 2009; 208 S., 19,90 ¤