Der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD und auch von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ( 16/12852, 16/13106) ist von Wirtschafts- und Bankenverbänden äußerst kritisch bewertet worden. In einer Anhörung des Finanzausschusses am 25. Mai erklärte der Zentrale Kreditausschuss, in dem die Spitzenverbände der deutschen Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken zusammengeschlossen sind, der Gesetzentwurf enthalte keine Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Allein das Bestehen von Geschäftsbeziehungen zum Ausland rechtfertige keine stärkeren staatlichen Kontrollen, erhöhte Mitwirkungs- und Nachweispflichten oder die Versagung beziehungsweise Kürzung des Betriebsausgaben- oder Werbungkostenabzugs.
Der Entwurf sieht unter anderem stärkere Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen vor, die in Staaten, die keine Auskünfte in Steuersachen erteilen, Geschäfte machen. Diese Steuerpflichtigen sollen zur Abgabe von eidesstattlichen Versicherungen verpflichtet werden können, dass ihre Angaben vollständig sind. Werden Informationen verweigert, kann der Betriebsausgabenabzug versagt werden. Außerdem können bei Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften über 500.000 Euro pro Jahr Außenprüfungen ohne vorherige Begründung vorgenommen werden, was der Bund der Steuerzahler als Eingriff in die Privatsphäre kritisierte.
Lars Salzmann vom Bundesverband der Deutschen Industrie bezeichnete den Entwurf als in der Praxis nicht anwendbar, weil er sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, was auch von anderen Experten kritisiert wurde. Der Entwurf sei in der jetzigen Form eine "Black Box" für die deutsche Wirtschaft und führe zu einem immer weniger berechenbaren Steuerrecht. "Die Vorschläge gehen unseres Erachtens weit über das Ziel hinaus und verletzen in bedenklicher Weise rechtsstaatliche Grundsätze", erklärten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme. Schwierigkeiten bei der Amtshilfe mit anderen Staaten würden zum Anlass genommen, unbescholtene Steuerpflichtige, denen keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, zu sanktionieren. Die Regelungen könnten auch im Widerspruch zu bereits bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen stehen.
Dagegen erklärte Professor Lorenz Jarass (Rhein-Main-University Wiesbaden), der Entwurf stelle eine "systematische und sehr effektive Maßnahme zur Austrocknung der Steueroasen dar". Der Fall des früheren Post-Chefs Klaus Zumwinkel habe gezeigt, dass es höchst attraktiv sei, Steuern zu hinterziehen. Die Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung liege im Promillebereich. Der Gesetzentwurf stelle ein Drohpotenzial zur Verfügung. Ohne dieses Drohpotenzial würden andere Länder sich kaum zu einem besseren Informationsaustausch mit den deutschen Behörden bereit finden. Auch Klaus Herrmann (Oberfinanzdirektion Koblenz) erwartet eine höhere Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung, wenn der Gesetzentwurf umgesetzt wird. Nach Auffassung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, ist das Gesetz "notwendig und richtig. Die ehrlichen Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die steuerunehrlichen an die Kasse geholt werden", sagte Ondracez.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte mit seiner Kritik an angeblich unkooperativen Nachbarländern wie der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg scharfe Kritik in diesen Ländern ausgelöst. Die Abgeordnetenkammer von Luxemburg protestierte beim Bundestag gegen Steinbrücks Äußerungen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) antwortete seinem luxemburgischen Kollegen Lucien Weiler, er teile "uneingeschränkt" die Einschätzung des luxemburger Parlaments, "dass solche Äußerungen nicht der Ton im Verhältnis gerade unserer beiden Länder, nicht seiner Menschen und erst recht nicht seiner politischen Spitzenvertreter sein dürfen".