FINANZMARKTAUFSICHT
Selbst die Aufsichtsräte kleinster Banken sollen vom Bund überprüft werden
Alle gegen Peer Steinbrück: In seltener Einmütigkeit haben Experten und auch der Bundesrat gegen die vom Finanzminister geplante schärfere Finanzmarktaufsicht protestiert. Auch alle Bundestagsfraktionen hatten bereits im Finanzausschuss erkennen lassen, dass sie mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht ( 16/12783) unzufrieden sind. Hauptärgernis ist der Versuch des Finanzministeriums, kleine Banken und Sparkassen schärfer an die Leine zu nehmen und ihnen vorzuschreiben, nur noch fachlich qualifizierte Aufsichtsräte einzusetzen. Damit könnte der Handwerksmeister nicht mehr im Aufsichtsrat der dörflichen Raiffeisenbank sitzen und der Bürgermeister nicht mehr im Verwaltungsrat der Sparkasse.
Die höheren Anforderungen an Aufsichtsräte hätten zur Folge, dass bei den regionalen Sparkassen und Volksbanken das Gros der Wirtschaftsvertreter und Handwerker nicht mehr Mitglied der Verwaltungs- und Aufsichtsräte sein könne, kritisierte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in der Anhörung des Finanzausschusses am 27. Mai. Die Sparkassen- und Volksbanken-Verbände wiesen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hin, dass bei großen und überregionalen Instituten die Aufsichtsräte oft mit ausgewiesenen Experten besetzt seien. Diese Besetzung habe die Verluste auch nicht verhindert. Die kleineren Institute hätten sich gerade in der Krise als stabil und widerstandsfähig erwiesen.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vertrat die Auffassung, "dass rein nach fachlicher Qualifikation besetzte Gremien keine effektive Kontrolle ausüben". Das sei eine Erfahrung aus der Finanzkrise. Die Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung sah in ihrer Stellungnahme die Gefahr, "dass bewährte Strukturen zerschlagen werden und die Anforderungen damit destabilisierend wirken". Professor Wolfgang Gerke (Bayerisches Finanz Zentrum) erklärte, die Praxis zeige, dass Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten keine systematisch schlechteren Kontrollfähigkeiten aufweisen würden als die anderen Mitglieder.
Der Bundesrat erklärte in seiner Stellungnahme ( 16/13113), an Aufsichtsräte dürften nicht gleich hohe Anforderungen gestellt werden wie an Geschäftsleiter. Die Kontrolle der Qualifikation der Aufsichtsräte von kleinen Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen durch die Bundesanstalt Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird vom Bundesrat als "unverhältnismäßiger gesetzgeberischer Eingriff in die Eigentumsrechte der Eigentümer" kritisiert.
"Diesen Gesetzentwurf würde ich in den Papierkorb stecken", erklärte der frühere Bank-Manager Bernd Lüthje mit Blick auf andere Teile des Entwurfs wie zum Beispiel die neuen Rechte für die BaFin, Finanzinstituten höhere Eigenmittel vorzuschreiben und die Ausschüttung von Gewinnen verbieten zu können.
Lüthje erklärte, mit dem Gesetzentwurf werde die direkte Steuerung des deutschen Bankenwesens durch das Bundesfinanzministerium verstärkt, denn das Ministerium habe eine Weisungsbefugnis gegenüber der BaFin. Die Verantwortung von Eigentümern und Geschäftsleitern von Banken werde eingeschränkt, da die BaFin die Letztentscheidung über Geschäftsmodelle und sogar einzelne Großgeschäfte erhalten werde. Auch der Bundesverband Investment und Asset Management erklärte, der Spielraum für die BaFin bei der Festsetzung der Eigenmittel erscheine "bedenklich weit". Für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft verstößt die Neuregelung sogar gegen die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 des Grundgesetzes. Die Deutsche Bundesbank riet von einem "nationalen Alleingang" bei der Gesetzgebung ab. Es sei besser, erst die geplanten internationalen Maßnahmen zur Änderung der Finanzaufsicht abzuwarten und diese dann in ein nationales Gesetz einzufügen. Auch der Zentrale Kreditausschuss sprach sich gegen "nationale Insellösungen" aus. Professor Wolfgang Paul (Ruhr-Universität Bochum) begrüßte Einzelmaßnahmen des Gesetzentwurfs, stellte jedoch auch die Frage, warum gerade der BaFin eine größere Kontrollmacht zugesprochen werde und nicht der Bundesbank.
Im Bundestag erklärte der FDP-Abgeordnete Rainer Brüderle am 27. Mai in einer Aktuellen Stunde zu den Äußerungen von EU-Kommissar Günter Verheugen, der die Bankenaufsicht in Deutschland als wirkungslos bezeichnet hatte, die FDP habe schon 2002 gefordert, die Bankenaufsicht unter die einheitliche Kontrolle der Bundesbank zu stellen. Dies habe die SPD abgelehnt. Dagegen erinnerte der Gunter Krichbaum (CDU) daran, dass gerade der frühere Finanzminister Hans Eichel (SPD) mehr Aufsicht über die Banken gefordert habe. Krichbaum forderte, einen Kommissar für diesen Bereich einzusetzen.
"Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Bankenaufsicht komplett versagt hat", sagte Gesine Lötzsch von der Linksfraktion. Es hätten nicht nur Kontrollen gefehlt, sondern die Regierung habe den Weg für die Finanzkrise durch Deregulierungen sogar freigemacht. Gerhard Schick (Grüne) forderte die Regierung auf, endlich zuzugeben, dass Fehler gemacht worden seien. Staatssekretär Karl Diller (SPD) rief dazu auf, der BaFin das Eingriffsinstrumentarium zu geben und dabei nicht vor Kritik aus der Wirtschaft zurückzuschrecken. Man sei kein Weltmeister in riskanten Bankgeschäften, verteidigte Diller den Finanzplatz Deutschland gegen die Kritik aus Brüssel.