CCS-Technik
Zur weiteren Erforschung der Abscheidung und Speicherung von CO2 fordert die Industrie klare und schnelle Regelungen. Andere sehen beim dem Gesetz noch zu viele offene Fragen.
Der neue klimapolitische Hoffnungsträger hat drei Buchstaben: CCS. Doch bislang weiß kaum ein Bundesbürger, dass sich hinter der Abkürzung der Fachausdruck "Carbon Capture and Storage" verbirgt: die Abscheidung von Kohlendioxid aus Abgasen von mit Kohle befeuerten Kraftwerken und deren unterirdische Lagerung. In einer Umfrage, die vom Informationszentrum klimafreundliche Kohlekraft- werke (IZ Klima) vergangene Woche veröffentlicht wurde, konnten nur zehn von 1.000 Befragten erklären, wie die Technologie funktioniert.
Das soll bald anders werden: Im April hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf ( 16/12782) eingebracht, mit dem die Abscheidung, der Transport und die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid geregelt werden sollen. Damit könnte auch eine Richtlinie aus Brüssel über die geologische Speicherung von CO2 in deutsches Recht umgesetzt werden. In der EU gibt es derzeit Pläne für zwölf Demonstrationskraftwerke zur Erforschung der neuen Technologie.
Zwei Pilotanlagen möchten die Energieversorger in Deutschland bauen: Geplant sind Standorte in Hürth (Nordrhein-Westfalen) und Jänschwalde (Brandenburg). Neben der Gretchenfrage, wie die Energieversorgung langfristig und umweltschonend sichergestellt werden kann, geht es bei der Erforschung der neuen Technologie auch um lukrative Fördertöpfe der Europäischen Union. Die Industrie drängt seit langem auf verbindliche Regelungen des Gesetzgebers, um möglichst große Rechts- und Investitionssicherheit zu erhalten. In der Anhörung des Umweltausschusses zum Thema CCS am 25. Mai herrschte daher zwar Einigkeit, dass es einen solchen einheitlichen Rechtsrahmen für die CCS-Technologie geben müsse. Umstritten ist unter den Experten aber, für wie lange diese Regelungen gelten sollen.
Bei der Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage die neue CCS-Technologie eingeführt werden soll, geht es um weit mehr als um Ausführungsvorschriften für technische Anlagen. Es geht auch darum, welche energiepolitischen Weichen für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gestellt werden.
Beim Kampf gegen die globale Erwärmung ist CCS für Felix Matthes vom Öko-Institut weitaus mehr als "eine Option". Wenn das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad über das vorindustrielle Niveau zu begrenzen, tatsächlich erreicht werden soll, argumentiert er, müssen nicht nicht nur die CO2 Emissionen aus Kohlekraftwerken vermindert werden. Auch Treibhausgase aus anderen Kraftwerken oder Emissionen, die bei der Herstellung von Stahl, Zement oder in der chemischen Industrie auftauchen können, sollen mittels CCS vermindert werden. "Wir brauchen klimaverträgliche Kohlenutzung", brachte es Georg Erdmann, Professor für Energiesysteme an der Technischen Universität Berlin bei der Anhörung auf einen kurzen Nenner. Deutschland hätte mit CCS die Chance "international an der Spitze zu stehen", sagte er. Aus juristischer Sicht bezeichnete Martin Sellmann den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf als eine "gute Grundlage". Er sei so formuliert, dass damit auf einem neuen Rechtsgebiet auch künftige Entwicklungen der CCS-Technik geregelt werden könnten, betonte Sellmann.
Ganz anders sieht das der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung für Umweltfragen, Martin Faulstich. Er sprach sich in der Anhörung zwar für die CO2-Abscheidung aus, möchte das Gesetz aber auf den Zeitraum der Forschung begrenzt wissen. "Die kommerzielle Anwendung von CCS in Deutschland sollte heute noch nicht geregelt werden", erklärte er. Es gebe noch zu viele offene Fragen. So wisse man weder, wie groß die Speicherkapazität für CO2 in Deutschland überhaupt sei, noch wer für die Deckung oder Haftung bei Schäden aufkomme. Auch die sogennanten Nutzungskonkurrenzen hinsichtlich anderer Energiequellen wie der Geothermie oder der Biomasse werfen noch viele Fragen auf. Eine davon ist, wer den begehrten Platz unter der Erde für sich in Anspruch nehmen darf. Die für die Speicherung von CCS geeigneten leeren Gasfelder oder tiefen Aquifere (Grundwasserleitern) sind begrenzt. Würden sie für die Speicherung von Kohlendioxid vergeben, fürchten einige Experten, könnten sie nicht mehr als Druckluftspeicher für Überschüsse aus Bio- oder Windenergie dienen - ein Konflikt zwischen fossilen und erneuerbaren Energien wäre dann vorprogrammiert, fürchten Experten.
Bedenken, die auch vom Bundesrat vorgebracht wurden. In seiner Stellungnahme vom 15. Mai hebt er hervor, dass die Geothermie nicht durch die CCS-Speicherung verdrängt werden dürfe. Bei den so genannten Nutzungskonkurrenzen sollten erneuerbare Energien grundsätzlich Vorrang genießen. Änderungsbedarf sehen die Länder auch bei der Verteilung der Lasten, wenn die Risiken der Speicherung nach 30 Jahren von den Energieversorgern auf den Staat übertragen werden sollen. Hier soll der Bund das Risiko alleine tragen. Nicht mit einem Gesetz beantwortet werden kann aber, wie groß die gesellschaftliche Akzeptanz für CCS sein wird. Sie dürfte jedoch entscheidend dafür sein, wo und in welchem wirklich Umfang in die neue Technik investiert wird.