NORBERT LAMMERT
Vom »Strippenzieher« zum Präsidenten
Dass sich Norbert Lammert auch nach vier Jahren im protokollarisch zweithöchsten Staatsamt fraktionsübergreifender Anerkennung erfreuen kann, beweist nicht zuletzt seine überzeugende Wiederwahl am 27. Oktober, bei der er 522 von 617 Stimmen erhielt. Dabei hat sich der Vater von vier Kindern auch immer wieder als unabhängiger Geist gezeigt. So lehnte er etwa als einziger seiner Fraktion im Frühjahr die Föderalismusreform II im Bundestag ab, weil ihm die damit verbundenen Grundgesetzergänzungen "unmaßstäblich" erschienen.
Dass der 60 Jahre alte Doktor der Sozialwissenschaften und Honorarprofessor im Amt des Bundestagspräsidenten bestätigt würde, stand schon im Vorfeld außer Zweifel. Vor vier Jahren erzielte der Sohn eines Bäckermeisters das beste Ergebnis, das ein Bundestagspräsident je bei seiner ersten Wahl erreichte; zuvor schon hatte sich der ausgewiesene Kulturexperte als Vizepräsident des Parlaments mit seiner so souveränen wie humorvollen und sprachlich eleganten Sitzungsleitung profiliert.
Dem Bundestag gehört der gebürtige Bochumer, der 1966 in die CDU eintrat und schon zwei Jahre zuvor Mitglied der Jungen Union war, seit 1980 an. Von 1996 bis 2005 Vorsitzender der einflussreichen CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, galt er vielen als "Strippenzieher". Regierungserfahrung sammelte der Katholik, der als Hobbys Musik, Fußball und Literatur angibt, zwischen 1989 und 1998, als er als Parlamentarischer Staatssekretär erst im Bildungs-, dann im Wirtschafts- und schließlich im Verkehrsministerium arbeitete.
Anschließend war Lammert, der eigentlich Berufsmusiker werden wollte, bis zu seinem Wechsel ins Bundestagspräsidium 2002 kulturpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. 2005 in Angela Merkels Wahlkampfteam zuständig für Kultur und als möglicher Kulturstaatsminister im Gespräch, rückte er statt dessen als zwölfter Bundestagspräsident an die Spitze des Hohen Hauses.