EU-GIPFEL
Wer den Kampf gegen die globale Erwärmung bezahlen soll, lassen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel offen
Die europäischen Mitgliedstaaten glauben nicht mehr, dass es Mitte Dezember in Kopenhagen zu einem ehrgeizigen Klimaabkommen kommen wird. Bei ihrem Gipfeltreffen am 29. und 30. Oktober in Brüssel einigten sie sich lediglich auf grobe langfristige Ziele. Eine Antwort darauf, welche Mittel sie im Kampf gegen den Klimawandel und für die Kompensation von Klimaschäden aufwenden wollen, blieben sie schuldig. Auch bei der Frage, wie die Lasten innerhalb der EU verteilt werden sollen, gab es keine Einigung.
Dennoch trat Ratspräsident Fredrik Reinfeldt am 30. Oktober betont optimistisch vor die Presse. Der Rat habe die Schätzung der EU-Kommission, dass ab 2020 jährlich 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz und die Folgen des Klimawandels aufgebracht werden müssen, bestätigt. Davon müssten 22 bis 50 Milliarden aus öffentlichen Kassen kommen. Welche Länder sich mit welchen Summen beteiligen sollten, werde aber frühestens in Kopenhagen geklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die EU werde ein Drittel der Kosten tragen, Deutschland übernehme davon zwanzig Prozent.
Für Klimamaßnahmen bis 2020 will die EU jährlich fünf bis sieben Milliarden Euro bereitstellen. Diese Summe soll aber auf freiwilliger Basis eingesammelt werden. "Doch es liegen schon so viele Angebote auf dem Tisch, dass die Kasse fast voll ist", erklärte der amtierende Ratspräsident, der die EU auch in Kopenhagen vertreten wird.
Mit ihrer Forderung, sich in Kopenhagen nicht durch großzügige Vorleistungen die Verhandlungsposition kaputt zu machen, hat sich Angela Merkel durchgesetzt. Die Aussicht, deutlich weniger als bisher geplant zahlen zu müssen, befürworteten viele Mitgliedstaaten, vor allem Italien und Frankreich. Zu Beginn der Sitzung betonte die Kanzlerin, niemand stelle die von ihr 2007 ausgehandelten Klimaziele infrage. "Natürlich gehört zu einem solchen Bekenntnis auch, dass wir finanzielle Zusagen machen. Aber auch andere Länder müssen Verpflichtungen übernehmen."
Um die interne Kostenverteilung und die Frage, ob Verschmutzungsrechte aus der Zeit vor 2013 in die neue Periode übertragen werden dürfen, war bis zur letzten Minute gestritten worden. Neun osteuropäische Länder unter Führung Polens wollen ihre ungenutzten Zertifikate behalten und sich möglichst gar nicht an den Kosten für den Klimaschutz beteiligen. Schließlich einigte man sich, dass für die Verschmutzungsrechte in Kopenhagen eine einheitliche Lösung für alle Teilnehmer des Kiotoprotokolls gefunden werden soll. Die interne Lastenverteilung bleibt zunächst offen und soll in einer Arbeitsgruppe beigelegt werden.
Den Streit mit Tschechien räumte die schwedische Ratspräsidentschaft gleich am Donnerstagabend vom Tisch. Prag darf sich wie Großbritannien und Polen aus der Grundrechtecharta ausklinken. Staatspräsident Václav Klaus hatte in den vergangenen Wochen seinen Widerwillen gegen das gesamte EU-Reformprojekt auf die Charta umgelenkt. Er fürchtet, dass aus der neuen Rechtsgrundlage Entschädigungsansprüche für vertriebene Sudetendeutsche erwachsen könnten. Juristen halten das für abwegig, da die Charta nicht rückwirkend gilt. Klaus setzte sich durch und will nun, falls das Verfassungsgericht am 3. November den Lissabon-Vertrag durchwinkt, seine Unterschrift nicht länger verweigern. Unmittelbar danach sollen auf einem Sondergipfel die neuen Spitzenposten des EU-Ratspräsidenten und des Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik besetzt werden.