Sie haben von 2006 bis 2007 die UN-Friedensmission in Afghanistan geleitet. Warum halten Sie den Militäreinsatz dort für gerechtfertigt?
Es gibt in Afghanistan starke demokratische Kräfte. Sie haben die internationale Staatengemeinschaft gebeten, die Sicherheit im Land für einige Zeit zu gewährleisten, um eigene Strukturen aufbauen zu können. Ein überstürzter Abzug würde erneut zu einem inneren Krieg und zu Menschenrechtsverletzungen ungeahnten Ausmaßes führen.
Noch gibt es große demokratische Defizite, wie die jüngste Präsidentschaftswahl gezeigt hat. Was ist schief gelaufen beim Aufbau des Landes ?
Die Chancen eines Neubeginns wurden nicht ergriffen. Vor allem die Amerikaner haben sich anfangs gegen einen Staatsaufbau als Ziel der internationalen Bemühungen gewehrt. Es hieß immer: "Wir wollen nur Terroristen jagen." Dadurch hat man es vor allem im Süden Afghanistans versäumt, Strukturen aufzubauen, die eine demokratische Staatsform ermöglichen. Inzwischen hat die US-Regierung unter Barack Obama einen Umschwung vollzogen. Oberstes Ziel des US-Einsatzes ist heute der Schutz der Zivilbevölkerung.
Obama will dennoch bis zu 30.000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Damit wächst auch der Druck auf die europäischen Verbündeten.
Die Forderung an die Deutschen lautet schon länger, dass sie mehr tun sollen. Es geht aber nicht nur um das Wieviel, sondern auch um das Was und Wie. Karsai hat schon bei der dritten Aufstockung des Mandats gesagt: "Lieber als tausend deutsche Soldaten in Kundus wären mir tausend Polizisten." In diese Richtung muss es
gehen.
Was sollte die Bundesregierung konkret tun?
Sie sollte alle Kraft in den Polizeiaufbau stecken. Hier haben wir am meisten versprochen, aber nur wenig erreicht. Wichtig sind aber auch die Universitäten und der ganze Bereich der Aus- und Fortbildung. Insgesamt sollte die langfristige zivile Hilfe verstärkt werden - und zwar über den Tag des Abzugs unserer Truppen hinaus. Ich hoffe sehr, dass die Staatengemeinschaft dies auf der geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz im Januar beschließt.
2010 soll in Afghanistan ein neues Parlament gewählt werden. Wird es ein ähnliches Chaos geben wie bei der Wahl im August?
Die Parlamentswahl könnte fairer ablaufen, denn es geht nicht darum, ob der künftige Präsident Abdullah oder Karsai heißt. Vielmehr treten viele unterschiedliche Parteien an, die sich gegenseitig überwachen werden. Die Afghanen und die internationale Gemeinschaft sollten aber darauf drängen, den sichtlich überforderten Vorsitzenden der Wahlkommission abzulösen und den Ablauf der Wahl besser zu überwachen.
Die Fragen stellte
Johanna Metz