BLEIBERECHT
Die Regelung für geduldete Ausländer soll fortgeschrieben werden
In einem Punkt herrschte in der Bundestagsdebatte über das Aufenthaltsrecht am 26. November weitgehend Einigkeit: Die Bleiberechtsregelung für in Deutschland geduldete Ausländer soll über den bevorstehenden Jahreswechsel hinaus verlängert werden. Umstritten aber blieb, wie genau und durch wen dies geschehen soll. Während die Grünen-Fraktion in einem Gesetzentwurf ( 17/34) eine Verlängerung um ein Jahr vorschlägt, fordert die Linksfraktion in einem Antrag ( 17/19), sogenannte Aufenthaltserlaubnisse auf Probe per Gesetz unabhängig vom Nachweis eines eigenständigen Einkommens über das Jahresende hinaus zu verlängern.
Dem SPD-Abgeordneten Rüdiger Veit sind zwar beide Vorlagen "nicht weitgehend" genug, doch warb er in der Debatte gleichwohl für Beratungen darüber mit dem Ziel, "zeitnah" zu einem "konstruktiven Ergebnis" zu kommen. Vertreter der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP dagegen setzten auf eine Regelung durch die in dieser Woche tagende Innenministerkonferenz.
Rund 30.000 jahrelang geduldete Ausländer, die nach der Bleiberechtsregelung eine "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" erhalten haben, müssen zum Jahresende nachweisen, dass sie selbstständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Andernfalls, warnt nicht nur die Opposition, droht ein großer Teil von ihnen in den Status der Duldung zurückzufallen.
Duldung, sagte Veit, sei nichts anderes, als den Betroffenen zu erklären, dass sie nicht willkommen seien und abgeschoben würden, "sobald wir das können". Dieses "Leben, das aus einem Sitzen auf gepackten Koffern besteht, ist unseres Staates eigentlich unwürdig", fügte der SPD-Parlamentarier hinzu und kündigte für eine der nächsten Wochen einen Gesetzentwurf seiner Fraktion an, mit dem das Problem "längerfristig und sehr differenziert" gelöst werden solle. Zugleich bedauerte er, dass sich die SPD im Frühjahr in der großen Koalition nicht mit der Forderung nach einer gesetzlichen Änderung habe durchsetzen können, sondern von der Union auf die Zeit nach der Bundestagswahl "vertröstet" worden sei.
Der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel wies demgegenüber Kritik an der bestehenden gesetzlichen Bleiberechtsregelung zurück. Die Betroffenen seien "eigentlich allesamt ausreisepflichtig" und erhielten durch das Bleiberecht eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive. Zwar wolle man gut integrierten Geduldeten helfen, doch dürfe es durch die Verlängerung der Bleiberechtsregelung keine "Zuwanderung in die Sozialsysteme" geben. Auch wolle seine Fraktion keine gesetzliche Verlängerung der Bleiberechtsregelung, sondern strebe "schon aus Zeitgründen eine Lösung durch Beschluss der Innenministerkonferenz vor Jahresende" an. Dabei komme eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts auf Probe nur in Betracht, "wenn der geduldete Ausländer nachweist, dass er sich um die Sicherung seines Lebensunterhalts zumindest bemüht hat", fügte Grindel hinzu. Sein Fraktionskollege Stephan Meyer (CSU) zeigte sich mit Blick auf die Innenministerkonferenz am 3. und 4. Dezember zuversichtlich, dass es den Ressortchefs "gelingt, eine sachgerechte und vernünftige Fortschreibung der Bleiberechtsregelung zu erreichen".
Auch der FDP-Parlamentarier Hartfrid Wolff sah "Handlungsbedarf in Bezug auf die Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe, die die gesetzlichen Vorgaben zur Lebensunterhaltssicherung zum Jahresende voraussichtlich verfehlen werden". Dabei habe er schon Anfang Juli eine Verlängerung der Frist gefordert, was sich jetzt "weitgehend wörtlich" in der Grünen-Vorlage wiederfinde. Im Sommer hätten aber weder Grüne noch SPD dieser Forderung zugestimmt, obwohl eine Gesetzesänderung damals das "Mittel der Wahl" gewesen wäre. Jetzt sei es aber "arg spät dafür" und daher der richtige Weg, "über ein Votum der Innenministerkonferenz eine Übergangslösung zu bewerkstelligen". Die zum Jahresende auslaufende Regelung müsse so angepasst werden, "dass wir den notwendigen Raum gewinnen, eine tragfähige gesetzliche Grundlage für ein Bleiberecht zu schaffen".
Für Die Linke kritisierte dagegen ihre Abgeordnete Ulla Jelpke, Bundesregierung und Innenminister schöben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Bis heute habe die Innenministerkonferenz "überhaupt keine Lösung", die deshalb "sofort" von der Koalition gefunden werden müsse, sagte Jelpke. 30.000 Menschen mit einem Aufenthaltsrecht auf Probe müssten bis zum Jahreswechsel ein Einkommen über "Hartz IV"-Niveau aufbringen, "sonst heißt es: Abschiebung", klagte die Abgeordnete und nannte es einen "Skandal", dass die Regierung keine Vorschläge vorgelegt habe, "um bis Jahresende diese Abschiebungen zu verhindern". Ihre Fraktion, bekräftigte Jelpke, fordere "das Bleiberecht für alle, die diesen seltsamen Status ,Aufenthalt auf Probe' haben".
Grünen-Fraktionsvize Josef Philip Winkler nannte es demgegenüber vordringlich, durch eine Fristverlängerung im Gesetz "zunächst Rechtssicherheit und Rechtsklarheit" für die Betroffenen und auch für die Ausländerbehörden zu schaffen, stehe doch den Menschen "schon der Angstschweiß auf der Stirn". Ein "reiner Beschluss der Innenministerkonferenz" wäre jedoch eindeutig ein Rückschritt, fügte Winkler hinzu. Schließlich habe es zuvor ein "klares Wort des Gesetzgebers" gegeben. Wenn nun wieder die Innenministerkonferenz "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" über den Umgang mit geduldeten Ausländern entscheide, sei dies "keine Verbesserung für die Betroffenen und erst recht nicht für das deutsche Parlament: Es handelt sich vielmehr um eine Selbstkastration des Deutschen Bundestages", kritisierte Winkler.