"Es gibt heute viele hoffnungsvolle Zeichen dafür, dass die neunziger Jahre die Chancen für mehr Frieden und mehr Freiheit in Europa und in Deutschland in sich tragen." Die Worte Helmut Kohls vor dem Bundestag, die er am 28. November 1989 - also nur zweieinhalb Wochen nach dem Mauerfall - wählte, drückten die Zuversicht des Kanzlers aus. Gerade hatte er den Abgeordneten einen Zehn-Punkte-Plan zu einer schrittweisen deutschen Wiedervereinigung vorgestellt. Als Ziel nannte er die Einheit Deutschlands beim Namen. Nur wenige waren vor der Kohl-Rede eingeweiht. Auch die internationalen Verbündeten wurden vom Vorstoß überrascht. Während sich die USA hinter Kohl stellten, reagierten Frankreich und Großbritannien verhalten bis verärgert.
Kohls Programm sah neben der klaren Zielsetzung humanitäre Soforthilfe für die DDR vor, die wegen der Fluchtbewegungen erforderlich war; außerdem umfasste es die wirtschaftliche Unterstützung der DDR, sah eine Zusammenarbeit beider deutscher Staaten vor und zielte auf Abrüstungsmaßnahmen auf beiden Seiten des fallenden Eisernen Vorhangs ab. Darüber hinaus wollte der Kanzler den Einheitsprozess in die gesamteuropäische Entwicklung eingebettet wissen. "Die EG darf nicht an der Elbe enden", forderte er. Auf dem Weg zu mehr Frieden und Freiheit für Europa und Deutschland komme es entscheidend auf den deutschen Beitrag an. "Wir sollten uns dieser Herausforderung der Geschichte stellen", rief Kohl den Abgeordneten zu. Drei Tage später wurde der Zehn-Punkte-Plan vom Bundestag gebilligt.