Leere Regale, abgehängte Bilder, überall Pappkartons: Im Büro der SPD-Bundestagsabgeordneten Katja Mast ist das große Packen ausgebrochen. "Wir sind mitten im Umzug", sagt sie - rotblonde Haare, fester Händedruck - mit einem entschuldigenden Lächeln. In wenigen Tagen wird die 38-Jährige, die auch in der neuen Legislaturperiode dem Ausschuss für Arbeit und Soziales angehören wird, aus den Räumen am Boulevard Unter den Linden in ein anderes Büro im Paul-Löbe-Haus des Bundestages ziehen. Also heißt es nun: Ärmel hoch, umräumen und neu organisieren.
Eine Situation, die ihrer Partei nach dem Debakel der Bundestagswahl nicht unähnlich ist: Auch die SPD musste sich neu sortieren, inhaltlich wie personell. Mast, die seit 2005 den Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis im Parlament vertritt, weiß das nur zu gut: In einem offenen Brief forderte sie kürzlich auch die Genossen zum Anpacken auf. "Wenn wir eine Volkspartei bleiben wollen, dann müssen wir uns auf unsere Stärken besinnen", sagt Mast. Und die lauten der gebürtigen Offenburgerin zufolge: soziale Gerechtigkeit, Bildung und Arbeit. "Das sind unsere Kernthemen, da haben wir Glaubwürdigkeit."
Als eines von vier Kindern einer Alleinerziehenden hat Mast schon früh soziale Unterschiede erfahren, erlebt, wie schwierig es ist, einen guten Schulabschluss zu machen, "wenn man nicht für die Realschule empfohlen wird und Nachhilfe zu teuer ist". Die empfundene Ungerechtigkeit wurde zur Triebfeder, politisch aktiv zu werden: Mast engagierte sich bereits als 19-Jährige bei den Jusos, war stellvertretende Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg und trat 1993 der SPD bei.
Politisch geprägt habe sie aber vor allem die Mutter, die unermüdlich arbeitete, "damit wir Kinder es besser haben" und die ihre Drittälteste in allen beruflichen Plänen unterstützte: "Da hieß es immer ‚Ach, du schaffst das schon'", erzählt Mast. Zu Recht: Die heutige SPD-Arbeitsmarkt- und Sozialexpertin besuchte zunächst die Hauptschule, schaffte aber nach der siebten Klasse die Aufnahmeprüfung für ein Wirtschaftsgymnasium. Danach folgten eine Banklehre und ein Biologie- und Politikstudium. Bankerin oder Lehrerin ist Mast aber dann doch nicht geworden. Sie arbeitete stattdessen sechs Jahre als Beraterin in der Organisationskommunikation und als Referentin bei der Deutschen Bahn.
Doch trotz der Belastung eines Vollzeit-Jobs in Berlin hielt sie stets Kontakt zur Politik im "Ländle", organisierte etwa für die frühere baden-württembergische SPD-Landeschefin Ute Vogt während deren Kandidatur zur Ministerpräsidentin die erste Online-Wählerinitiative. Politik selbst zum Beruf zu machen war Mast aber da offenbar noch kein Thema - trotz vorhandener Angebote. Berufliche Erfahrungen zu sammeln war ihr wichtiger. Als sie aber 2004 die Möglichkeit hatte, für den Bundestag zu kandidieren, überwog die Lust, endlich "Ungerechtigkeiten zu beseitigen, etwas zu verändern und zu gestalten".
Die erste Wahlperiode als Mitglied einer Koalitionsfraktion liegt nun hinter ihr, die zweite, diesmal in der Opposition, hat gerade begonnen: Wehmut über diesen Rollenwechsel ist Mast nicht anzumerken, eher Entschlossenheit: Errungenschaften, wie der Mindestlohn, den die SPD zumindest für einige Branchen ausgehandelt hat, gilt es zu verteidigen. Für andere Ziele werde weiter gekämpft, sagt Mast. Ganz wichtig ist ihr dabei. "Wir müssen den Menschen zuhören und zeigen, dass wir ihre Sorgen verstanden haben." Sie selbst tut das längst: etwa mit "Junger Rat für Mast", einem Schulprojekt. Schüler werden dabei zu Beratern. Ob Globalisierung, Finanzkrise oder Ausbildungspakt - die Schüler arbeiten sich in ein Thema ein und versorgen die Abgeordnete mit Argumenten. Das soll das Interesse der Jugendlichen an Politik wecken, bietet aber auch Mast etwas sehr Wertvolles: Einblick in die Lebenswelt junger Menschen.
Dieses Wissen aus erster Hand nutzte ihr schon oft konkret - etwa, als im Bundestag über den Ausbildungsbonus debattiert wurde. "In meiner Rede habe ich viele Beispiele aus meinem Wahlkreis anbringen können."