Die Sitzungswoche im Rückblick
Die Zukunft des EU-Reformvertrages und die Abwehr des Terrorismus waren zwei der Themen, mit denen sich der Bundestag in der Sitzungswoche vom 16. bis 20. Juni 2008 beschäftigte. Außerdem stellte die Bundesregierung ihren Bericht zur Lage von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland vor. Beschlossen wurden das Eigenheimrentengesetz ("Wohn-Riester") und eine Verschärfung des Jugendstraftrechts.
In der ersten Plenarsitzung am Mittwoch, dem 18. Juni 2008, kamen die Abgeordneten zur Fragestunde und zur Befragung der Bundesregierung zusammen.
Am Donnerstag Morgen gab Bundeskanzlerin Merkel eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat in Brüssel ab. Er kam am Donnerstag und Freitag in Brüssel zusammen, um über das weitere Vorgehen nach der Ablehnung des Lissabon-Vertrags durch Irland zu beraten. Das Land hatte als einziges Land Europas ein Referendum über den EU-Reformvertrag abgehalten.
In ihrer Erklärung sprach sich Merkel gegen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus. "Die Geschlossenheit in Europa ist kein Selbstzweck, sondern ein hohes Gut", betonte sie. Die Diskussion über ein "Kerneuropa" sei "nicht zielführend". Vielmehr müsse der Ratifizierungsprozess unvermindert fortgesetzt und Irland die Chance gegeben werden, "ins Spiel zurückzufinden". Die Bundeskanzlerin warnte, Europa könne sich keine erneute Reflexionsphase leisten: "Wir brauchen den Vertrag von Lissabon."
Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden Guido Westerwelle gingen Merkels Ausführungen nicht weit genug: Es sei zu wenig, nur zu sagen, man halte am Lissabon-Vertrag fest. Merkel hätte vielmehr ein Maßnahmenpaket vorlegen müssen, umit dem Ziel, die Völker wieder für die Europäische Idee zu begeistern. "Wir haben diesen Lissabon-Vertrag mit 90 Prozent in diesem Hohen Hause ratifiziert, weil er gut ist für unsere Völker, weil er gut ist für Europa", betonte Westerwelle. "Trotzdem müssen wir jeden Tag immer wieder aufs Neue den Nutzen der europäischen Integration erklären." Derzeit sei der Dialog "kümmerlich".
In der Kernzeitdebatte beriet der Bundestag über den von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer, vorgelegten "7. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland" ( 16/7600). Schwerpunkte des Reports sind Bildung, berufliche Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt.
Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE. wurde abgelehnt ( 16/5788). Sie hatte die Bundesregierung aufgefordert, baldmöglichst einen "qualifizierten Bericht" zur Lage der Ausländer vorzulegen, der "dem gesetzlichen Auftrag entsprechend vor allem eine fachlich fundierte, kritische und problemorientierte und umfangreiche Beschreibung der Lage von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland enthält". Der Bericht, kritisiert die Fraktion, vermische zudem die wissenschaftlich fundierte Darstellung mit Vorhaben der Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Integrationsplans.
Am Donnerstag berieten die Abgeordneten über einen fraktionsübergreifenden Antrag von CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Überarbeitung der EU-Übersetzungsstrategie. Darin fordern sie die Europäische Kommission auf, die Übersetzungsleistung von europäischen Dokumenten zu verbessern. Ohne eine Übersetzung beratungsrelevanter Dokumente in die Muttersprache der Abgeordneten könnten die nationalen Parlamente ihre Mitspracherechte nicht wahrnehmen, die ihnen im Vertrag von Lissabon - der am 1. Januar 2009 in Kraft tritt - garantiert wurden, so argumentieren die Fraktionen.
Außerdem war die Situation Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland Thema im Plenum. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten dazu einen Antrag vorgelegt. Die Fraktion fordert unter anderem, dass auch die Pflege Schwerstkranker mit hohem Versorgungsbedarf in der eigenen Wohnung ermöglicht wird. Ferner müsse die Palliativmedizin und -pflege zu einem Lehr- und Prüfungsfach des Medizinstudiums und bei der Ausbildung für Krankenpflegeberufe aufgewertet werden. Die Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des 15. Bundestages hatte in der vergangenen Legislaturperiode einen Zwischenbericht vorgelegt, der eine bedarfsgerechte Palliativversorgung und mehr Geld für die Forschung für notwendig erklärt hatte.
Beide Anträge wurden zur Beratung an die Fachausschüsse überwiesen.
Abgelehnt: Geringere Energiekosten für
Geringverdiener
In namentlicher Abstimmung lehnten die Abgeordneten am Freitag einen Antrag der Fraktion DIE LINKE. (16/7745) ab, der vorsah, Privathaushalte mit geringen Einkommen künftig bei den Energiekosten zu entlasten. Zudem wollte DIE LINKE. das Wohngeldgesetz ändern, damit auch Kosten für Heizung und Warmwasser für Wohngeldberechtigte erstattungsfähig werden.
... Ergebnisse der namentlichen Abstimmung
Gut eine Stunde debattierten die Abgeordneten am Donnerstag den Jahresbericht 2007 des Wehrbeauftragten. Er informiert über den inneren Zustand der Bundeswehr und gibt Auskunft über die Zahl der Eingaben von Soldaten und die Truppenbesuche im Berichtszeitraum. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen das Parlament in die Lage versetzen, beschriebene Missstände und Fehlentwicklungen in künftige politische Entscheidungen einzubeziehen. Nach Angaben des Wehrbeauftragten gingen im vergangenen Jahr 5.276 Eingaben von Soldatinnen und Soldaten bei ihm ein.
Verhinderung von Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung
Am Donnerstag verabschiedete der Bundestag zudem ein Gesetz der
Bundesregierung zur Bekämpfung von Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung (
16/9038). Damit werden zwei EU-Richtlinien
umgesetzt. Durch eine Änderung des Geldwäschegesetzes,
des Kreditwesengesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes soll
etwa die Finanzierung des internationalen Terrorismus besser
bekämpft werden. Die Anzeigepflicht in
Terrorismusfinanzierungsfällen soll auf alle dem
Geldwäschegesetz unterliegenden Unternehmen und Personen
ausgedehnt werden, die Anzeigepflichtigen sollen im Bereich der
Terrorismusfinanzierung die nötigen Informationen erhalten, um
Verdachtsfälle besser erkennen können.
Am Freitag, dem 20. Juni 2008, beriet der Bundestag in Erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (16/9588). Dieser soll das Bundeskriminalamtgesetz ergänzen. Das BKA würde mit der Novelle zur zentralen Ermittlungsbehörde bei der Terrorismusbekämpfung ausgebaut.
Am Freitag, dem 20. Juni 2008, beschlossen die Abgeordneten das so genannte "Wohn-Riester" ( 16/8869). In Zukunft darf für den Kauf und Bau von Wohneigentum auch die staatliche Riester-Förderung genutzt werden. Das Eigenheimrentengesetz wurde als eines der großen Projekte der Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart. Es wird rückwirkend zum Januar 2008 in Kraft treten.
Jugendliche dürfen künftig, sofern sie als schuldfähig gelten und keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommt, zum Schutz der Allgemeinheit weiterhin in Haft gehalten dürfen. Das entschied der Bundestag am Freitag. Die Bundesregierung hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung von jugendlichen Straftätern vorgelegt ( 16/6562). Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung war bislang im Jugendstrafrecht nicht vorgesehen.
In der Woche vom 16. bis 20. Juni 2008 debattierte der Bundestag über insgesamt 33 Tagesordnungspunkte. Am Donnerstag standen unter anderen Beratungen zum Vermögensbildungsgesetz sowie Anträge zur Einführung eines Lobbyregisters, zum Erhalt der Gewässerbiodiversität sowie zur Verbesserung des Kampfes gegen den Drogenhandel auf der Agenda. Am Freitag berieten die Parlamentarier unter anderen über mehr Mitbestimmung in Unternehmen, Menschenrechte von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender sowie einen besseren Verbraucherschutz beim Telefonmarketing.