Bundestag beschloss Rettungsübernahmegesetz mit Koalitionsmehrheit
Von Insolvenz bedrohte Finanzinstitute können notfalls verstaatlicht werden. Am Freitag, 20. März 2009, beschloss der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ein umstrittenes Gesetz, das das im vergangenen Oktober beschlossene Finanzmarktstabilisierungsgesetz ergänzt, mit 379 Ja-Stimmen bei 107 Nein-Stimmen und 46 Enthaltungen. Es ermöglicht die zeitlich begrenzte Verstaatlichung von Finanzinstituten, die von einer Insolvenz bedroht sind, doch als systemrelevant eingeschätzt werden. Das Gesetz zielt vor allem auf den schwer angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate ab.FDP und Linkspartei stimmten gegen die Vorlage, Bündnis90/Die Grünen enthielten sich. Am 3. April 2009 entscheidet der Bundesrat über den Gesetzentwurf.
Die Koalitionsfraktionen hatten zuvor auf Empfehlung des
Finanzausschusses (
16/12316) mit ihrer Mehrheit eine Reihe von
Änderungen an dem Gesetzentwurf (
16/12100) durchgesetzt. So können
staatliche Garantien bis zu fünf Jahren nur in
begründeten Ausnahmefällen und nur für ein Drittel
der einem Unternehmen gebilligten Garantien gewährt
werden.
Ebenso wurde die Möglichkeit einer Enteignung präzisiert. Sie ist nur dann möglich, wenn zuvor eine Hauptversammlung der Aktionäre des betreffenden Unternehmens stattgefunden hat und die dort für eine entsprechende Kapitalmaßnahme erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde. Die Entschädigung der Aktionäre bei einer Enteignung bestimmt sich allein nach dem Börsenkurs des Unternehmens.
Der Abstimmung vorangegangen war eine mitunter sehr kontrovers
geführte Debatte vor dem Bundestag. Dr. Hans-Ulrich
Krüger (SPD) unterstrich darin, dass der eingebrachte
Gesetzentwurf keinen ordnungspolitischen Bruch darstelle.
„Die jetzige Krise ist primär keine Krise der
Marktwirtschaft, sondern Auswuchs eines unverantwortlichen
Verhaltens einiger Marktteilnehmer“, sagte der
SPD-Abgeordnete. Ziel sei immer eine umgehende Reprivatisierung
verstaatlichter Unternehmen, sobald diese stabilisiert seien.
„Der Staat spielt nicht den Banker“, betonte
Krüger.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle sieht in dem Gesetzentwurf einen Tabubruch. „Eine Grundachse ist verschoben, der Schutz des privaten Eigentums wird torpediert“. Damit gehe die Regierung an das Fundament der marktwirtschaftlichen Ordnung, so Brüderle.
Diesem gegenüber betonte Leo Dautzenberg (CDU/CSU), dass das
Gesetz nicht ausschließlich auf Enteignung hinauslaufe.
„Diesem Schritt als ultima ratio sind viele andere
vorgelagert“, sagte Dautzenberg. Die Stabilisierung und
Fortentwicklung des Finanzmarktes sei die Zielsetzung des
Gesetzes.
Dr. Gregor Gysi von der Linksfraktion kritisierte, dass der Rückfluss der eingesetzten Gelder an die Steuerzahler vernachlässigt werde. „Das ist ein schwerer Fall von Untreue“, so Gysi. „Die Gewinne gehen zu drei Viertel an die Privaten, aber die Schulden übernehmen die Steuerzahler“.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken bemängelte zudem
„schwammige Formulierungen“ im Gesetzentwurf zur
Bedeutung einer nachhaltigen Stabilisierung: Der Rückfluss der
Steuergelder sei dadurch nicht garantiert.
Daneben beanstandete Fritz Kuhn (Bündnis90/Die Grünen), dass in dem Gesetz keine parlamentarische Kontrolle verankert sei. „Die Transparenz ist ausgehebelt“, so Kuhn. Es sei jedoch richtig, die Enteignung als Drohkulisse aufzubauen.
Die Bundesregierung, die durch die parlamentarische
Staatssekretärin Nicolette Kressl (SPD) vertreten war,
unterstrich die Notwendigkeit, zu einer raschen hundertprozentigen
Kontrollmehrheit bei der Hypo Real Estate zu gelangen, um eine
Restrukturierung und Refinanzierung des Instituts zu
gewährleisten.
Keine Mehrheit fanden ein Änderungsantrag der Linksfraktion ( 16/12317) und ein Entschließungsantrag der FDP ( 16/12318) zu dem Gesetz. Gegenstand der Debatte waren daneben drei Anträge der Fraktion Die Linke sowie ein Antrag der FDP Gegenstand der Debatte. Sie sollen in den Ausschüssen weiterberaten werden.
In einem ihrer Anträge (
16/10827) fordert die Linksfraktion, Manager
der Finanzbranche an den Kosten der Finanzmarktkrise zu beteiligen.
In weiteren Anträgen geht es um eine "industriepolitische
Kehrtwende", wobei die Fraktion einen Zukunftsfonds für
Industrieinnovation und Beschäftigungssicherung" vorschlug (
16/12294), und um eine "Initiative für ein
sozial gerechtes Antikrisenprogramm" (
16/12292).
Die FDP hat einen Antrag (
16/12285) vorgelegt, in dem sie verlangt,
notleidenden Unternehmen Sanierungschancen zu geben, indem die
gesetzlichen Regelungen im Insolvenzplanverfahren effizienter
gestaltet werden. Dieser Antrag soll federführend im
Rechtsausschuss weiterberaten werden.