In Schlagern wird sie verklärt und als lebenslänglich besungen, in der Politik hat sie Seltenheitswert: Wer von Treue zwischen Menschen spricht, denkt nicht an die res publica. Zu häufig sind in Stein gemeißelte Triumvirate zwischen Parteiführern spektakulär in die Brüche gegangen - nicht nur in der Antike. Zu selten können die Bürger noch partnerschaftliche Erklärungen hochrangiger Volksvertreter wie "zwischen uns passt nicht mal ein Blatt Papier" für glaubwürdig halten. Selbst Schwesterparteien behandeln sich oft wenig brüderlich.
Umso erbaulicher erschien eine Meldung aus dem Mutterland der Demokratie, die der Redaktion auf den Tisch flatterte: "Churchills Papagei krächzt immer noch mit dem Zungenschlag seines Herrchens." Das hatte eine britische Boulevardzeitung gemeldet. Der gelb-blaue gefiederte "Charlie" ist 104 Jahre alt - man könnte ohne weiteres von "ewiger Treue" zwischen einem Staatenlenker und seinem Vertrauten sprechen.
Es kommt noch besser: Churchills Charlie würde, so die Meldung, noch immer dessen politisches Programm verkünden - wenn auch ein wenig verkürzt. Er fluche regelmäßig auf die Nazis. Damit stünde das Federvieh direkt hinter seinem vermeintlichen Sprachlehrer in der Reihe jener knorriger Helden, die die Briten so mögen: Churchill wurde in einer Umfrage zum wichtigsten Briten bestimmt, Charlie verbringt seinen Lebensabend entsprechend in einem Gartencenter.
So viel Treue muss stutzig machen. Zu Recht. Churchills Tochter ließ umgehend verlauten, ihr Vater habe nie einen fluchenden Ara (wie es Charlie ist) besessen, sondern nur einen Graupapagei, und der hieß Polly. Und dass der große Winston seine Zeit während des großen Krieges damit verbracht habe, einem Papagei obszöne Sprüche beizubringen, verdiene nicht einmal einen Kommentar. Auch haben Historiker bisher weder auf Fotos noch auf Dokumenten Hinweise auf einen Papagei im Dienste Churchills gefunden. Jener habe zwar Hunde, Katzen und selbst Schweine besessen. Aber ein fluchender Vogel? Fehlanzeige.
War der Papagei eine Ente? Viel deutet darauf hin. Bleibt die Erkenntnis, dass wer von Treue in der Politik spricht, meist nur dummes Zeug redet oder schlimmer noch: einfach etwas nachplappert