Europa. Die zehn Beitrittsstaaten der Europäischen Union werden bei ihrer Aufnahme rechtlich besser vorbereitet sein, als es die 15 Mitglieder derzeit sind und frühere Beitrittsländer waren, sagte Günter Verheugen, EU-Kommissar für Erweiterung, am 28. Januar im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Lediglich bei drei Prozent der 1400 überprüften Regelungen seien gravierende Probleme festzustellen, die aber durch intensive Zusammenarbeit noch gelöst werden. Insgesamt seien die neuen Mitglieder außerordentlich gemeinschaftsfreundlich und würden auf vielen Politikfeldern neue Akzente setzen.
Enttäuscht zeigte sich der Kommissar über das Scheitern des Brüsseler EU-Gipfels im Dezember 2003. Er sei aber optimistisch, dass die Verfassung noch in diesem Jahr verabschiedet werde. Hoffnungen gäbe es auch noch für einen Beitritt Gesamtzyperns zum 1. Mai. In den nächsten Tagen werde die Entscheidung über einer Wiederaufnahme der Verhandlungen fallen. Wichtig sei aber, dass an den Bedingungen des Plans der Vereinten Nationen zur Wiedervereinigung der Insel festgehalten werde. Für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sei ein positives türkisches Engagement für einen einheitlichen Beitritt Zyperns zwar eine hinreichende, aber noch keineswegs ausreichende Bedingung, so Verheugen.
Die Voraussetzung für die Verhandlungsaufnahme sei ein klarer und überzeugender Trend bei der Umsetzung der Reformen. Bis jetzt folge die Türkei zwar dem von der Kommission vorgegebenen Fahrplan, doch es gäbe beträchtliche Defizite bei der Verwirklichung von Grundrechten und der Religionsfreiheit sowie der Kontrolle des Militärs. Darüber hinaus sei der Reformprozess noch nicht wirklich irreversibel. Es könne sich jeder Zeit eine Negativkoalition bilden, die die Reformen abbricht, sagte der EU-Kommissar. Positiv sei jedoch, dass der Reformkurs der Regierung vom Parlament vorbehaltlos unterstützt werde und Defizite so relativ schnell aufgearbeitet werden können. Die EU-Kommission werde bis Anfang Oktober ein Gutachten über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei vorlegen. Eine konkrete Prognose, was am Ende herauskomme, wollte Verheugen nicht geben. Gegen die Aufnahme von konkreten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sprach sich die CDU/CSU-Fraktion aus: Es täte Europa gut, wenn es eine Denk- und Erfahrungspause einlege, um die EU der 25 zu leben und zu erfahren. Derzeit verkrafte die Europäische Union den Beitritt eines 70-Millionen-Volkes nicht.
Noch in diesem Jahr will die Kommission hingegen die letzten Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien abschließen, so dass eine Aufnahme in die EU Anfang 2007 erfolgen könne. Wir brauchen beide Länder unbedingt, um die Lage in Südosteuropa zu stabilisieren, sagte Verheugen. Erste "ermutigende" und "beeindruckende" Kontakte wurden darüber hinaus mit Kroatien geknüpft. Alle anderen Länder des westlichen Balkans seien dagegen Sorgenkinder, bei denen eher Rückschritte zu verzeichnen waren und es keinen Anlass gäbe, über einen Beitritt zu reden. Geplant sei weiterhin, Russland, Weißrussland, Moldawien und die Ukraine sowie die Mittelmeerländer verstärkt in das Nachbarschaftsprinzip sowie den Binnenmarkt einzubinden und gegebenenfalls Assoziationsabkommen zu unterzeichnen, berichtete Verheugen.