Die gewalttätige Dimension des Terrors steht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, seine finanzielle Seite findet demgegenüber nur geringes Interesse. Diesem Thema widmet sich die Journalistin Loretta Napoleoni, um aufzuzeigen, "dass in den letzten 50 Jahren Mitglieder bewaffneter Gruppen im Inland von denselben politischen Kräften als Kriminelle verfolgt wurden, die sie zuvor im Ausland gefördert haben". Dadurch hätten die wirtschaftlichen Interessen des Westens und der mit ihm verbündeten muslimischen Oligarchien, aber auch des Ostens in der früheren Sowjetunion gewahrt und gefördert werden sollen.
Diese Ambivalenz sei ein wichtiges Motiv für die späteren Reaktionen von Terrororganisation und die damit verbundene Herausbildung einer "Neuen Ökonomie des Terrors" gewesen. Darunter versteht Napoleoni "ein internationales Netzwerk, in dem die Logistik und Hilfsleistungen einzelner bewaffneter Gruppen untereinander koordiniert werden".
Noch für die Zeit des Kalten Krieges konstatiert die Autorin eine Entwicklung weg von der staatlichen Finanzierung gewalttätiger und terroristischer Gruppierungen hin zur Privatisierung der materiellen Basis für den bewaffneten Kampf. Sie zeigt das anhand verschiedenster Beispiele von der Contra über die ETA und IRA bis zur PLO. Dann geht sie auf das Wirken solcher Gruppen in "Schattenstaaten" ein, also in schwachen staatlichen Strukturen mit vielen Freiräumen. In ihnen hätte sich auch das international agierende islamistische Terrornetzwerk herausbilden können, was mit Ausführungen zu Entwicklungen in Afghanistan, auf dem Balkan, im Kaukasus oder in Zentralasien aufgezeigt wird.
Schließlich widmet sich die Autorin den unterschiedlichen legalen und illegalen Praktiken bewaffneter Organisationen zur Finanzierung ihrer Aktivitäten, die vom Drogenhandel bis zum humanitären Engagement eine wichtige Rolle spielten. Die "Neue Ökonomie des Terrors" habe heute dadurch "das doppelte Volumen des Bruttoinlandsprodukts von Großbritannien erreicht und den dreifachen Umfang der US-amerikanischen Geldmenge, Tendenz steigend".
Wie Napoleoni genau auf diese Summe kommt, verrät sie ihren Lesern allerdings nicht. Überhaupt operiert die Autorin häufig mit Zahlen, die nicht immer nachvollziehbar sind und somit eher zurückhaltend aufgenommen werden sollten. Gleichwohl zeigt ihre Arbeit die enorme Dimension und Vielfalt der Finanzierung terroristischer Strukturen eindrucksvoll auf, wobei Möglichkeiten unterschiedlichster Art und Form bestehen.
Dies zeigt sie besonders beim islamistischen Terrorismus, wobei die Nutzung besonderer finanzieller Transaktionen wie das "Hawala-System" oder die diesbezüglichen Aktivitäten im Umfeld von Moscheen breiter dargestellt werden. In solchen Ausführungen liegen zweifellos die Stärken der Arbeit. Ansonsten verstört allerdings das etwas unstrukturierte Vorgehen. Napoleoni wirft immer wieder einzelne Fälle und Zeitebenen durcheinander. Hier hätte man sich mehr Stringenz und Systematik gewünscht, was auch für die mitunter etwas undifferenzierten Einschätzungen einzelner Aspekte gilt.
Hierzu gehören auch die kritischen und notwendigen Anmerkungen zu den bedenklichen Handlungsweisen des Westens gegenüber bestimmten Bewegungen oder Ländern. So beklagt die Autorin die (aufgrund von Ölinteressen) geringe Aufmerksamkeit für Entwicklungen in Saudi Arabien oder weist auf die anfängliche Unterstützung der fundamentalistischen Taliban in Afghanistan durch amerikanische Unternehmer hin. Ob aber das Versagen der US-Geheimdienste bei der Verhinderung des Terroranschlags vom 11. September 2001 allein durch damit verbundene Rücksichtnahme erklärbar ist, muss zumindest in dieser Pauschalität bestritten werden. Bei solchen und anderen Einschätzungen macht es sich Napoleoni häufig zu einfach, was mitunter den Wert ihres Buches als Informationsgrundlage mindert. Gleichwohl legt sie einen interessanten Beitrag zu einem bislang noch nicht genügend beachteten Aspekt des internationalen Terrorismus vor.
Loretta Napoleoni
Die Ökonomie des Terrors. Auf der Spur der Dollars hinter dem Terrorismus.
Verlag Antje Kunstmann, München 2004;
419 S., 24,90 Euro
Der Autor arbeitet als Wissenschaftler und Publizist in Wiesbaden.